Urlaub kurz nach Flutkatastrophe

Deutsche Ministerin Spiegel unter Beschuss

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Die deutsche Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) ist im Sommer 2021 als rheinland-pfälzische Umweltministerin rund zehn Tage nach der Flutkatastrophe an der Ahr zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen.

Einen entsprechenden Bericht der "Bild am Sonntag" bestätigte der stellvertretende Regierungssprecher, Sebastian Kusche, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.

Spiegel sei aber ständig erreichbar gewesen und habe auch per Video an Kabinettssitzungen teilgenommen. Parallelen zum Fall der zurückgetretenen NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) sehe er nicht. Heinen-Esser hatte ihr Amt am Donnerstag niedergelegt, nachdem bekanntgeworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca einen Geburtstag gefeiert hatte.

Rücktrittsforderungen von Opposition

CSU-Generalsekretär Stephan Mayer sagte der "Bild am Sonntag": "Spiegel sollte sich ein Beispiel an Heinen-Esser nehmen und ihr Amt zur Verfügung stellen." Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte der "Rheinischen Post": "Wenn es um Verantwortung geht, ist sie nicht erreichbar oder verreist." Er könne sich nicht vorstellen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) "so ein Amtsverständnis gut findet". Die rheinland-pfälzische Opposition, CDU, Freie Wähler und AfD, forderte ebenfalls erneut den Rücktritt Spiegels.

Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 sind in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, darunter 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden verletzt und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.

Spiegel habe ihren Urlaub einmal unterbrochen, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen, berichtete der stellvertretende Regierungssprecher Kusche. Sie sei zudem ständig erreichbar und per Video bei den Kabinettssitzungen dabei gewesen. Die 41-Jährige, die wegen ihrer vier Kinder auf die Sommerferien angewiesen sei, sei erst gefahren, nachdem ein Krisenstab im Ministerium für die Trinkwasser- und Abwasserversorgung sowie die Müllentsorgung eingerichtet worden sei.

Nicht zum ersten Mal in der Kritik

Spiegel war bereits in die Kritik geraten, weil sie sich in einem Kurznachrichten-Wechsel mit ihren Mitarbeitern direkt nach der Hochwassernacht um ihr politisches Image gesorgt hatte. Dazu hatte die Grünen-Politikerin im Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz gesagt, die Hilfe für die Betroffenen im Ahrtal sei für sie von höchster Bedeutung gewesen. "Es ist absolut falsch und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte." Spiegel habe in der mehrstündigen Vernehmung am 11. März auch anders als Heinen-Esser in dem Gremium in NRW "jede Frage vollständig beantwortet", sagte Kusche.

Spiegel sei als Ministerin untragbar, sagte hingegen der CDU-Landesvorsitzende Christian Baldauf. "Eine Landesministerin, die während dieser schweren Katastrophe vier Wochen Urlaub macht, setzt die falschen Prioritäten."

Der Parlamentarische Geschäftsführer und Obmann der Freien Wähler im Landtags-Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe, Stephan Wefelscheid, sagte: "Frau Spiegel ist vor der Verantwortung geflüchtet. Wann zeigt sie endlich Charakterstärke, zieht die Konsequenzen und tritt zurück?" Ihr Ministerium sei auch für den Gewässerschutz verantwortlich gewesen. "Das Wasser war kontaminiert durch Öl, Schmierstoffe, Fäkalien und vieles mehr." Ein Kapitän gehöre in einer solchen Zeit auf die Brücke, es reiche nicht, im Urlaub erreichbar zu sein.

Spiegel hatte die Leitung des Umweltministeriums in Rheinland-Pfalz im Jänner 2021 nach dem Rücktritt ihrer Parteifreundin Ulrike Höfken zusätzlich zum Familien-, Integrations-und Verbraucherschutzministerium übernommen. Nach der gewonnenen Landtagswahl im März übernahm die Spitzenkandidatin der Grünen das neu zugeschnittene Klimaschutzministerium in Mainz - rund zwei Monate vor der Flutkatastrophe. Bis zu ihrem Wechsel nach Berlin war die 41-Jährige auch stellvertretende Ministerpräsidentin in der zweiten Ampel-Regierung von Malu Dreyer (SPD).
 

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