Von China aus

Hacker bauten weltweites Spionage-Netz

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Chinesische Hacker spionierten rund 1.300 Computer in 103 Ländern aus. Unter anderem wurde der PC des Dalai Lama ausspioniert. Die Regierung in Peking dementiert jede Verwicklung in die Affäre.

Hacker haben nach Angaben kanadischer Experten von China aus ein weltweites Spionagenetz aufgebaut und Daten von staatlichen und privaten Computern gestohlen. Betroffen waren nach einem Bericht der Zeitung "New York Times" in den vergangenen beiden Jahren mindestens 1.295 Computer in 103 Ländern. Im Visier der Hacker standen häufig Außenministerien und andere staatliche Behörden sowie Büros des Dalai Lama in Indien, Brüssel, London und New York.

"Big Brother"
Die noch laufende Operation, von den Forschern "GhostNet" (Geisternetz) genannt, wird fast ausschließlich von Rechnern in China kontrolliert. Eine Verstrickung der chinesischen Regierung ließ sich jedoch nicht nachweisen.

Wie bei "Big Brother" können die Spione mit ihrer Software auf den infizierten Computern auch die Kamera und Tonaufnahme anschalten und so den betreffenden Raum überwachen. Ob diese Funktion genutzt wurde, wissen die Forscher nicht.

Auftrag des Dalai Lama
Die Experten vom Munk-Zentrum für Internationale Studien an der Universität von Toronto kamen dem Netzwerk auf die Spur, als sie im Auftrag des seit 1959 im indischen Exil lebenden Dalai Lama dessen Computer auf schädliche Software hin untersuchten.

Schuldzuweisungen werden vermieden
Obwohl drei der vier Kontrollserver in China stehen, vermieden auch die Forscher eine Schuldzuweisung an die Regierung in Peking. Dafür seien die Vorgänge im Untergrund des Internets zu kompliziert, sagte der Politikwissenschaftler Ronald Deibert vom Munk-Zentrum. "Es könnte genauso gut die CIA sein oder die Russen. Es ist ein düsteres Reich, von dem wir da den Schleier heben."

Ein Sprecher des chinesischen Konsulats in New York verwahrte sich dem Bericht zufolge gegen eine mögliche Beteiligung seiner Regierung. "Das sind alte Geschichten, und sie sind Blödsinn", sagte Wenqi Gao. China lehne jede Form von Computerkriminalität ab.

Zumindest in einem Fall hatte die Spionageaktion laut Zeitung jedoch auch reale Auswirkungen. Nachdem ein Büro des Dalai Lama einem ausländischen Diplomaten per E-Mail eine Einladung schickte, rief die chinesische Regierung bei dem Mann an, um ihm von dem Besuch abzuraten.

Kommissar Zufall half
Die kanadischen Forscher, die sich seit langem mit Fragen der Internet-Sicherheit beschäftigen, konnten durch einen Zufall auch herausfinden, wie die Operation funktioniert. Einer von ihnen entdeckte in den von der feindlichen Software erstellten Dateien eine seltsame Abfolge von 22 Zeichen.

Als er damit über Google das Internet durchsuchte, stieß er auf eine offenbar entscheidende Web-Site, die überraschend nicht durch ein Passwort gesichert war. Gemeinsam mit seinen Kollegen konnte er so die Spione dazu bringen, einen Computer im Testlabor in Toronto zu infizieren. Eine kurze Serie von geheimnisvollen Befehlen flimmerte daraufhin über den Bildschirm. Als sie nichts Interessantes fanden, verschwanden die Hacker wieder.

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