Bolivien stimmte dem neuen Grundgesetz mehrheitlich zu - Die Reichen und die Kirchen waren dagegen.
In einer Volksabstimmung hat sich am Sonntag eine Mehrheit der Bolivianer für die von Präsident Evo Morales unterstützte neue Verfassung ausgesprochen. Nach ersten Auszählungen stimmten rund 57 Prozent für und 43 Prozent gegen den Entwurf. Die Abstimmung verlief friedlich. Die neue Verfassung soll die Rechte der indianischen Bevölkerungsmehrheit im ärmsten Land Südamerikas stärken und ermöglicht dem Präsidenten eine weitere Amtszeit.
Reiche waren dagegen
In den fünf wohlhabenden Regionen Santa
Cruz, Tarija, Chuquisaca, Beni und Pando gab es eine breite Mehrheit gegen
die Verfassung. Den dortigen Gouverneuren geht es gegen den Strich, dass ein
Teil ihrer Einnahmen, in die ärmeren Gegenden fließen soll. Für die Annahme
der Verfassung reicht die absolute Mehrheit.
Kolonialismus aufarbeiten
Morales, der dem Volk der
Aymara angehört, sieht in der Abstimmung den Höhepunkt eines
jahrhundertelangen Kampfes, dessen Wurzeln bis in die Zeiten der spanischen
Eroberung zurückreichen: "Wir werden die Ketten der
Diskriminierung, der Spaltung, des Rassismus, der Unterwerfung, des
Kolonialismus und der Erniedrigung brechen", sagte er am Donnerstag,
dem dritten Jahrestag seines Amtsantritts.
Mehr Rechte für Indios
Die neue Verfassung enthält
Bestimmungen, die der indianischen Bevölkerungsmehrheit mehr Rechte geben
sollen. 36 ihrer "Nationen" erhalten Garantien für eine
Selbstbestimmung. Für kleinere Völker neben den Aymara und Quechua werden
Sitze im Parlament reserviert. Auch erkennt der Staat die traditionelle
indianische "Gemeinschaftsjustiz" an. Die Richter des Obersten
Gerichts sollen künftig gewählt und nicht mehr vom Präsidenten ernannt
werden.
Landbesitz beschränken
Landbesitz soll - je nach
Entscheidung in der Volksabstimmung - auf 5.000 oder 10.000 Hektar begrenzt
werden. Der Staat kann Land beschlagnahmen, das keine "soziale Funktion"
erfüllt.
Präsident kann bleiben...
Besonders im Blickpunkt steht
eine andere Änderung: Bisher sind maximal zwei Amtszeiten des Präsidenten
möglich, die aber nicht direkt aufeinanderfolgen dürfen. Diese Einschränkung
soll abgeschafft werden, so dass das Staatsoberhaupt zwei Amtszeiten von
jeweils fünf Jahren in Folge absolvieren kann. Das würde Morales
ermöglichen, den Andenstaat bis 2014 zu regieren.
... aber nicht drei Mal
Ursprünglich strebte Morales insgesamt
drei Amtszeiten an. Das Parlament setzte das Referendum aber erst an,
nachdem der Präsident im Oktober darauf verzichtet hatte.
Vorschub für Zersplitterung?
Kritiker wenden ein, dass die
Stärkung von Indianerrechten die Bemühungen um eine Einigung des ethnisch
zerrissenen Landes beeinträchtige. Der Oppositionsbewegung im östlichen
Tiefland kommt der Verfassungsentwurf insoweit entgegen, als die dortige
Landwirtschaft von der Obergrenze für Landbesitz ausgenommen sein soll. Auch
sollen die dortigen Gliedstaaten eine begrenzte Autonomie erhalten.
Kirchen waren auch dagegen
Um den Inhalt der Verfassung war
lange gerungen worden. Zu den Gegnern der Reform zählten außer den
rohstoffreichen Tieflandregionen auch die christlichen Kirchen. Diese
befürchten, die neue Verfassung könne Abtreibungen und die
gleichgeschlechtliche Ehe ermöglichen.
Dicke Freunde
Morales ist ein enger Verbündeter des
venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Er teilt auch dessen ablehnende
Haltung gegenüber der Außen- und Wirtschaftspolitik der USA. Mit seiner
bisherigen Reformpolitik hat Morales die Mehrheit der Bevölkerung hinter
sich. Bei einer Volksabstimmung über seine Amtsführung erhielt er im August
vergangenen Jahres eine Unterstützung von 67 Prozent.
Die Verfassungsdebatte löste 2007 heftige Unruhen aus, bei denen drei Studenten ums Leben kamen. Im September vergangenen Jahres wurden 13 Menschen, überwiegend Anhänger von Morales, getötet, als Regierungsgegner Behördengebäude besetzten, um das Verfassungsreferendum zu stoppen.
Foto der jubelnden Menge: (co) Reuters