Istanbul

Papst-Kritiker besetzten Hagia Sophia

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Ultra-nationalisten haben in der einstigen Kirche und späteren Moschee in Istanbul gegen den Papst-Besuch protestiert.

39 Angehörige der ultra-nationalistischen "Grauen Wölfe", darunter 14 Minderjährige, die am Mittwoch aus Protest gegen den bevorstehenden Papst-Besuch in der Türkei die Hagia Sophia in Istanbul besetzt hatten, sind Donnerstag Abend freigelassen werden. Staatsanwalt Faruk Kurdoglu hatte die Aktivisten verhört. Sie wurden auf freiem Fuß wegen einer nicht bewilligten Demonstration angezeigt. Die Aktivisten bliesen auf Rat der Polizei eine geplante Pressekonferenz ab.

Kritik an Regensburger Rede
Papst Benedikt XVI. wird am kommenden Dienstag zu seiner erstem Besuch in einem mehrheitlich von Muslimen bewohnten Land in der Türkei erwartet. Während seiner viertägigen Reise will er auch die Hagia Sophia besuchen. Benedikt hatte mit einem islam-kritischen Zitat in einer Rede an der Regensburger Universität im September für Aufruhr in der islamischen Welt gesorgt. Auch in der Türkei gab es Proteste.

Der türkische Parlamentspräsident Bülent Arinc betonte, es sei falsch, Feindschaft gegenüber dem Papst wegen dessen Bemerkungen über den Islam zu schüren. Politische Beobachter unterstrichen zudem die Bedeutung des Papst-Besuchs für den Dialog zwischen den Zivilisationen sowie für das Verhältnis zwischen der Türkei und der EU.

Dritte Türkei-Reise eines Papstes
Es handelt sich um die dritte Türkei-Reise eines Papstes: 1967 hatte Paul VI. den Patriarchen Athenagoras I. besucht, nachdem sie den gegenseitigen Bannfluch aufgehoben hatten, der zur Kirchenspaltung von 1054 führte. 1979 war Johannes Paul II. Gast des Patriarchen Dimitrios I., des 1991 verstorbenen Vorgängers von Bartholomaios.

Türken lehnen Papst-Besuch ab
Die meisten Türken sind vom anstehenden Papst-Besuch wenig begeistert. Selbst Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan drückt sich vor einem Treffen mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche. Kritiker warnen, dass die Türkei mit ihrer kühlen Haltung dabei ist, eine große Chance zu vertun.

Zuversicht des Erfolges sehr dünn
Offiziell ist die Türkei zwar bereit, einen Strich unter die Regensburger Diskussionen zu ziehen und nach vorne zu schauen. Der Pontifex spricht in Ankara mit Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer und dem Chef des staatlichen Religionsamtes, Ali Bardakoglu. Er erwarte einen Erfolg des Papst-Besuches, sagt Bardakoglu. Die Schicht regierungsamtlicher Zuversicht ist jedoch äußerst dünn. Ministerpräsident Erdogan wird während des Papst-Besuches beim NATO-Gipfel in Riga sein, und auch andere Mitglieder seiner Regierung schlagen sich nicht gerade darum, dem Papst die Hand geben zu dürfen. Protokollbeamte in Ankara hatten erhebliche Mühe, einen Minister zu finden, der den Papst am Flughafen der Hauptstadt begrüßt und ihn bei seinen Terminen begleitet: Es ist Staatsminister Besir Atalay, der nicht zur ersten Reihe des Kabinetts zählt.

Ablehnung für Türkei schlecht
Die unübersehbare Abneigung Ankaras gegen den Gast könnte der Türkei außenpolitisch schaden. Die Zeitung "Sabah" erinnerte Erdogan daran, dass er selbst erst letzte Woche in Istanbul die "Allianz der Zivilisationen" für mehr Verständigung zwischen dem Westen und der islamischen Welt - eine spanisch-türkische Initiative - propagiert habe. Es sei falsch, dass Erdogan einem Treffen mit Benedikt XVI. aus dem Weg gehe: "Hat der Papst etwa Aids oder die Pest?"

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