Serbien

Politiker tritt im Parlament in Hungerstreik

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Regierungsbündnis reagierte nicht auf Forderung nach vorgezogene Wahlen.

Der führende serbische Oppositionspolitiker Tomislav Nikolic hat am Abend seinen heute, Samstag, gestarteten Hungerstreik im Parlamentsgebäude fortgesetzt. Der Chef der Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS) will dadurch die Regierungskoalition dazu bewegen, einen Termin für die vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember festzulegen. Nikolic teilte in den frühen Nachmittagsstunden bei einer Protestkundgebung seiner Partei in Belgrad mit, dass er ab heute keine Nahrung und Wasser zu sich nehmen werde, bis dies geschehe.

Hungerstreik auf der Bühne

Am Nachmittag harrte der SNS-Chef in seinem Hungerstreik stundenlag auf einer Bühne vor dem Parlament aus.  Einen Sitzprotest leisteten an seiner Seite auch Spitzfunktionäre seiner Partei, aber auch etliche Anhänger. Die Styropor-Stücke, auf welchen sie saßen, waren mit diversen Aufschriften versehen. "Ich sitze jetzt, um aufzustehen, wenn die Regierung fällt". "Ich stehe auf, dies ist meine Wahl", hieß es unter anderem darauf.

Die regierende Demokratische Partei hat die Forderung des SNS-Chef zuerst nicht kommentiert. Der Vorsitzende der oppositionellen Liberaldemokratischen Partei (LDP), frühere Vizepremier Cedomir Jovanovic, hat den Hungerprotest unterdessen  kritisiert und an Nikolic appelliert, ihn einzustellen. Der SNS-Chef habe kein Recht darauf, Serbien eine neue Agonie als einen Ausweg aus der derzeitigen anzubieten, meinte Jovanovic. "Serbien brauch Energie, keine neuen Foltern", unterstrich der LDP-Chef.

"Ghandi-artig"
Für Nikolic stellt sein Hungerstreik den "Kampf um ein besseres Serbien" dar. Bereits vor Tagen hatte er ein "Ghandi-artiges" Ringen um den Wahltermin angekündigt. Bis zuletzt wollte die Partei die Details nicht preisgeben. Gandhi habe handgewebte Kleidung, keine Armani-Anzüge getragen, hieß es am Nachmittag in einen der zahlreichen Kommentaren auf dem Internet.

Der SNS-Vize Aleksandar Vucic, einst Informationsminister des Regimes von Slobodan Milosevic, war am Nachmittag immer wieder bemüht, die Spannung zu steigern. Nur noch ein paar Stunden könne Nikolic noch aushalten, verkündete Vucic immer wieder. Ärzteprognosen lauteten anders. Ohne Nahrung und Wasser könne man etwa 48 Stunden aushalten, hieß es in Ärztekreisen.

In der Tat vermochte die SNS, die mit Abstand führende Parlamentskraft Serbiens, bei ihrer Kundgebung am Samstag wenig zu bieten. Nikolic bekräftigte wieder einmal, dass er Serbien in der Europäischen Union sehen und gleichzeitig "bestmögliche Beziehungen" zu Russland, den USA, China und anderen Staaten fördern möchte. Die Oppositionspartei kritisierte die derzeitigen Bemühungen der Regierung, mit der Telekom Austria eine Einigung über den Verkauf vom 51-prozentigen Anteil an der Telekom Srbija zu erreichen. Wie konkret eine Lösung für die angehäuften Wirtschafts- und Sozialprobleme aussehen soll, war nicht zu hören.

Als eine der Spitzenrednerin trat bei der Kundgebung Milanka Karic, die Gattin des sich seit Jahren vor der serbischen Justiz auf der Flucht befindenden neureichen Geschäftsmannes Bogoljub Karic, auf. Dem einstigen Familienfreund von Slobodan Milosevic werden Finanzmachenschaften in Millionenhöhe angelastet. Die Protestierenden schien dies nicht zu stören.

Die regelmäßigen Parlamentswahlen sind in Serbien im Frühjahr 2012 fällig, das Regierungsbündnis signalisierte die Bereitschaft, sie um einige Monate vorzuversetzen, allerdings will man mit ihrer Ausschreibung die Entscheidung Brüssels über den Status eines EU-Beitrittskandidaten für Serbien im Dezember abwarten. Die SNS hatte zuvor in ihren Forderungen die Wahlabhaltung auf den 18. Dezember fixiert.

Die Serbische Fortschrittliche Partei war vor zweieinhalb Jahren durch die Trennung eines Parteiflügels von der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) des Haager Angeklagten  Vojislav Seselj entstanden. Nikolic war bis zur Trennung  der engste Mitarbeiter Seseljs. Der SRS-Chef hatte vor Jahren durch einen Hungerstreik im Gefängnis des UNO-Tribunals das Recht erkämpft, sich vor dem Haager Gericht selbst zu verteidigen. Nikolic habe bei seinem politischen Ziehvater abgeguckt, hieß es am Samstagnachmittag in Belgrad.
 

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