Personelle Löcher

US-Armee im Irak vor Zusammenbruch?

Teilen

Die Reserven der US-Armee sind laut dem Baker-Bericht erschöpft. US-Soldaten werden aus ihren Ziviljobs gefeuert oder müssten Lohnkürzungen hinnehmen.

Nach dem Medienwirbel um einen möglichen Strategiewechsel im Irak rückt jetzt das Kleingedruckte in den Empfehlungen der Baker/Hamilton-Kommission ins Blickfeld. Die Empfehlungen enthalten eine ganze Reihe militärischer Hinweise wie die, dass Beratung irakischer Truppen durch US-Militär bis hinunter auf Kompanie-Ebene gehen müsse. Ein gefährlicherer Aspekt, der die öffentliche Debatte jetzt bestimmt, ist die Überdehnung der US-Truppen.

Die Unterbesetzung mit Soldaten macht sich laut Bericht vor allem bei Ablösungen bemerkbar. Auf Seite 74 heißt es beispielsweise, dass es dem Heer wahrscheinlich nicht mehr möglich sei, die nächste Rotationsphase nach bisherigem Muster vorzunehmen. "Unerwünschte Maßnahmen" seien notwendig, um die personellen Löcher zu stopfen. Die Reservisten in Nationalgarde und Reserve seien schon so oft eingesetzt worden, dass sie erschöpft seien. Möglicherweise soll das heißen, dass sie erneut einberufen würden.

Beschwerden nehmen zu
Das Massenblatt "USA Today" hakt genau an dieser bisher weniger beachteten Stelle nach: "Die Beschwerden der Reservisten nehmen zu!", heißt es im Titelbeitrag der Freitagausgabe. Die Soldaten würden aus ihren Ziviljobs gefeuert oder müssten Lohnkürzungen hinnehmen, weil sie am Arbeitsplatz wegen wiederholter Einsätze im Irak einfach nicht zur Verfügung stünden.

Seit 2002 habe die Zahl der Reservisten, die nach Rückkehr in die Heimat erneut einberufen worden seien, um 30 Prozent zugenommen, heißt es. Nach Daten des Arbeitsministeriums habe die Zahl der Neu-Einberufungen den höchsten Stand seit dem Korea-Krieg von 1950 bis 1953 erreicht. Seit 2001 seien 500.000 der 850.000 Reservisten und Nationalgardisten einberufen worden und nicht alle seien von ihren Arbeitgebern freundlich behandelt worden.

Lesen Sie auch

Bush für Kurswechsel
Der amerikanische Präsident George W. Bush hat einen Kurswechsel in seiner Irak-Politik angekündigt. Bush sagte am Donnerstag in Washington bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Tony Blair, der Bericht der Baker-Hamilton-Kommission über die Lage im Irak sei ein wichtiges Dokument. Es werde aber nur Teil einer Neuausrichtung seiner Irak-Politik sein. Gespräche mit Syrien und dem Iran knüpfte Bush an Bedingungen. Zugleich kündigten Bush und Blair eine neue Initiative zur Beilegung der israelisch-palästinensischen Spannungen an.

Grundsatzrede zur Irak-Politik geplant
Die Notwendigkeit eines Strategiewechsels im Nahen und Mittleren Osten erkannte der US-Präsident ausdrücklich an. "Es steht schlecht im Irak, wir brauchen neuen Ansatz", sagte Bush. "Das amerikanische Volk erwartet von uns eine neue Strategie." Neben dem Baker-Hamilton-Report würden ein Bericht des Pentagons, Analysen des Außenministeriums und des Nationalen Sicherheitsrats Grundlage für Entscheidungen sein, die er in einer Grundsatzrede zur Irak-Politik vorstellen werde. Der frühere Außenminister James Baker hatte zuvor erklärt, der Bericht seiner Kommission werde wahrscheinlich der einzig überparteiliche sein.

Bush ging jedoch auf Distanz. "Ich denke nicht, dass Jim Baker und Lee Hamilton erwarten, dass wir jede ihrer Empfehlungen umsetzen", sagte er. Baker und Hamilton haben 79 Empfehlungen abgegeben. Ihre Kommission kam zu dem Schluss, Bushs Irak-Politik funktioniere nicht. Die Lage im Irak sei ernst und verschlechtere sich noch. Ein Großteil der US-Kampftruppen sollte bis 2008 abgezogen werden und Syrien und der Iran in diplomatische Bemühungen eingebunden werden.

Bush kündigte jedoch an, er wolle die Gespräche mit Syrien und dem Iran an Bedingungen knüpfen. Die beiden Länder könnten mit Billigung der USA an internationalen Gesprächen über den Irak teilnehmen, wenn sie ihre Unterstützung für "Terroristen" aufgäben und die "junge Demokratie" im Irak unterstützten, sagte Bush. "Wenn sich Syrien und der Iran nicht diesem Konzept verpflichten, brauchen sie gar nicht erst auftauchen." Zugleich bekräftigte Bush seine Forderung, der Iran müsse vor Gesprächen zunächst sein Atomprogramm aufgeben.

Konflikt Israel-Palästina
Bush und Blair kündigten zudem eine neue Initiative zur Beilegung der israelisch-palästinensischen Spannungen an. Blair will nach eigenen Angaben bald in die Region reisen. Dabei solle den Ländern klar gemacht werden, dass die Politik Großbritanniens und der USA gegenüber Israel und den Palästinensern "ausgewogen" sei, sagte der Premierminister. Ziel sei eine Zwei-Staaten-Lösung.

Präsidentensprecher Tony Snow sagte, für einen möglichen Strategiewechsel im Irak müsse Bush die Empfehlungen der Baker-Kommission erst mit zwei Studien des Generalstabs und des Nationalen Sicherheitsrats zur Irak-Politik vergleichen. "Wir hoffen, dass wir alles zusammengetragen haben werden, so dass der Präsident möglicherweise zum Jahresende einen neuen Weg nach vorn verkünden kann", sagte Snow.

Der ehemalige demokratische Kongressabgeordnete und Kommissionsvorsitzende Lee Hamilton, angesichts der sich verschlechternden Lage im Irak dränge die Zeit. Es gehe "nicht um Monate, sondern um Wochen, vielleicht sogar um Tage".

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.