Wien

Heinisch-Hosek: Aus für die
 Schul-Noten

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Erst vier Tage im Amt, lässt die Ministerin mit Visionen aufhorchen.

Damit hat niemand gerechnet: Während Bildungsexperten noch das Schulkapitel im Regierungsabkommen als „Flop ohne jede Vision“ kritisieren, gibt Bildungsministerin Gabriele Heinisch-­Hosek im ÖSTERREICH-Interview Vollgas.

Zur Verblüffung von Freund und Feind – sprich: sowohl des höchst erfreuten Kanzlers wie des regelrecht entsetzten ÖVP-Chefs – sagte Heinisch-Hosek gestern in einem ungewöhnlich offensiven ÖSTERREICH-Interview all jene Reformen an, die Lehrer, Eltern und Schüler im Regierungsabkommen vermissen:

  • Die Zahl der AHS, die als „Neue Mittelschule“ firmieren, soll laut Ministerin „vervielfacht werden“.
  • Bis 2018 Schule ohne Noten und ohne Schultasche.
  • Die Noten soll abgeschafft und von einer „verbalen Beurteilung“ abgelöst werden, die die Schulen selbst entwickeln und entscheiden.
  • Im Laufe ihrer Amtszeit soll es keine Hausaufgaben mehr geben. Kinder sollen Ganztagsschulen sogar „ohne Schultasche“ besuchen.
  • Auch das Sitzenbleiben und die Nachprüfungen will Heinisch-Hosek abschaffen.

Damit tritt die bisherige SP-Frauenministerin ihr Amt als Bildungschefin mit der ambitioniertesten Ansage an, die Schulressortchefs bisher wagten. Für heiße Diskussionen ist ab sofort gesorgt.

"Keine Hausaufgaben, keine Noten, kein Sitzenbleiben!"

ÖSTERREICH: Wie wird die Schulreform der neuen Regierung konkret aussehen?
Gabriele HEINISCH-HOSEK: Es wird eine große Volksschulreform geben. Wir wollen den Übergang vom letzten Kindergartenjahr in die ersten beiden Volksschuljahre neu gestalten. Mehr Sprachförderung, mehr Begabungsförderung und mehr Unterstützung bei Schwächen.

ÖSTERREICH: Wann kommt die Gesamtschule?
Gabriele HEINISCH-HOSEK: Die Neue Mittelschule ist ab jetzt die Regelschule. Aber das Gymnasium bleibt so, wie es ist. Mein Ziel wird sein, möglichst viele AHS-Unterstufen als Neue Mittelstufe zu gewinnen. Derzeit sind erst elf AHS-Unterstufen NMS – mein Ziel ist, diese Zahl zu vervielfachen. Weil dann auch die Kinder in den AHS, die zu NMS werden, zwei Lehrer in allen Hauptfächern und mehr Förderunterricht haben.

ÖSTERREICH: Wann kriegen alle Kinder eine Ganztagsschule?
Gabriele HEINISCH-HOSEK: Künftig gilt: Sobald 15 Eltern das wollen, muss die Schule ganztägigen, verschränkten Unterricht anbieten. Mit Unterricht von 8 bis 16 Uhr, aber auch Erholungsphasen, Bewegungseinheiten, Kreativ-Einheiten – Schule muss sein wie unser Biorhythmus. Mit Hochs, mit Erholung.

ÖSTERREICH: Wie stellen Sie sich die ideale Schule vor?
Gabriele HEINISCH-HOSEK: Ich will eine Schule, in die alle in der Früh neugierig und fröhlich reingehen – und wo man um 16 Uhr gut gelaunt, zufrieden und vor allem ohne Schultasche rauskommt.

ÖSTERREICH: Ohne Schultasche heißt ohne Hausaufgabe?
Gabriele HEINISCH-HOSEK: Ich will Ganztagsschulen ohne Hausübungen. Die Eltern sollen mit den Kindern den Rest des Tages in Ruhe, mit Freizeit in Fröhlichkeit verbringen – und nicht mit Hausübung­schreiben und Nachhilfebezahlen. Alles, was zur Übung des Erlernten dient, soll in der Schule erfolgen.

ÖSTERREICH: Soll es in Ihrer „Schule der Zukunft“ auch keine Noten mehr geben?
Gabriele HEINISCH-HOSEK: Im Regierungsprogramm haben wir festgeschrieben, dass Schulen künftig autonom festlegen können, ob sie mit Noten bewerten oder eine alternative Beurteilung der Leistung einführen. Ich finde, schön langsam sollten wir uns von den alten Noten 1 bis 5 verabschieden. Ich finde, dass man Kinder nicht mit Nummern beziffern, sondern ihre Persönlichkeit bewerten soll. Ich hoffe, dass wir uns die Ziffernnoten bald ersparen und die Kinder besser verbal beurteilen.

ÖSTERREICH: Wollen Sie auch eine Schule ohne Sitzenbleiben?
Gabriele HEINISCH-HOSEK: Ja, das will ich – weil ich glaube, dass sich die Schwächen der Kinder meist nur auf ein Fach beziehen. Das sollte man nachholen und verbessern können, ohne ein ganzes Jahr in allen Gegenständen zu verlieren. Ich will ein Ende der Nachprüfungen und ein Ende der traditionellen Klassenwiederholung erreichen.

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