Immobilientycoon

Der tiefe Fall des René Benko

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Sein Aufstieg war kometenhaft, nun ist der Tiroler Immobilientycoon wieder ganz unten angekommen.

Der Aufstieg des Immobilientycoons René Benko klingt zunächst wie aus dem Bilderbuch: Aus einfachen Verhältnissen und ohne Schulabschluss schaffte es der Tiroler zu einem der reichsten Unternehmer Österreichs. Doch zuletzt wurde deutlich, dass er und seine Signa Holding in der Krise stecken. Die Firmen schrieben Verluste, Geldgeber wendeten sich ab und forderten den Rückzug von Benko. Am Ende stand die Insolvenz der Holding. Wer ist der Mann, der diesen tiefen Fall erlitt.

Das Immo-Imperium hat der 46-Jährige aus Innsbruck bereits mit 22 Jahren aufzubauen begonnen. Jüngsten Angaben auf der Konzern-Homepage zufolge erreicht die Signa Real Estate AG einen Bruttovermögenswert von 27 Mrd. Euro. Hinzu komme ein Entwicklungsvolumen von 25 Mrd. Euro.

Vermögen halbiert

Schätzungen des US-Magazins "Forbes" zufolge schrumpfte das Vermögen des Signa-Gründers heuer bis Ende November binnen weniger Monate um mehr als die Hälfte von rund 6 Mrd. auf 2,8 Mrd. Dollar (rund 2,6 Mrd. Euro). Der Milliardär rutschte damit auf der Liste der weltweit reichsten Menschen vom 425. auf den 1.105 Platz ab.

Laut "Wirtschafts-Compass" hält die Familie Benko Privatstiftung direkt und indirekt rund 66 Prozent an der nun insolventen Signa Holding GmbH. Weitere 15 Prozent hält die Familienstiftung um den Industriellen und Ex-Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner. Durch die im Herbst immer offensichtlicher gewordene Schieflage des Immobilienkonzerns sank auch der Wert von Benkos Signa-Anteil. Medienberichten zufolge gehörten ihm zuletzt auch privat Signa-Immobilien, wie etwa das Luxusresort "Eden Reserve" am Ufer des Gardasees. Vergangene Woche wurde bekannt, dass Bilder von Picasso und Basquiat, die sich im Eigentum von Benko befanden, zu Geld gemacht werden sollten. Auch für seine 62 Meter lange Yacht namens "Roma" fand sich bis Montag im Internet ein Inserat mit einem Verkaufspreis von 39,9 Mio. Euro.

Kometenhafter Aufstieg

Bereits mit 20 Jahren soll Benko seine erste Schilling-Million gehabt haben, mit 40 war er Euro-Milliardär und seither einer der vermögendsten Österreicher.

Schon als Schüler erregte der Sohn eines Gemeindebediensteten und einer Kindergärtnerin Mitte der 1990er-Jahre Aufsehen. Als 17-Jähriger organisierte er für einen befreundeten Innsbrucker Baumeister den Ausbau von Dachböden in bester Stadtlage. Dass er damit gutes Geld verdiente, stellte er auch zur Schau. Schulkollegen erinnerten sich vor einigen Jahren in der Zeitung "Falter" an Goldkettchen und einen geleasten Ferrari.

Benko galt in seinem Umfeld als "Blitzgneißer" mit gutem Geschäftsinstinkt, als "super Netzwerker" und vor allem als sehr arbeitswillig - nach eigenen Angaben stand er jeden Tag um halb fünf in der Früh auf und arbeitet bis kurz vor Mitternacht.

Nur die Schule hat Benko nicht so ernst genommen. "Das ist wahrlich so, ich war im letzten Schuljahr, im Maturajahr, so wenig in der Schule, dass ich dann aufgrund der vielen Fehlstunden nicht mehr zur Matura zugelassen wurde", erzählte er vor vielen Jahren in einem ORF-Interview.

Benko gelang es früh, Reiche und Prominente von seinen Geschäftsideen zu überzeugen. Kurz nach der Gründung der Immofina, aus der später die 1999 gegründete Signa-Gruppe hervorging, traf er auf den Stroh-Tankstellenerben Karl Kovarik, der sich 2001 in Benkos Unternehmen einkaufte. Mit Kovariks Geld, einem zweistelligen Millionenbetrag, wuchs die Signa Holding zu einem der größten österreichischen Immobilienunternehmen heran, das seine Fühler längst auch ins Ausland, vor allem nach Deutschland, ausgestreckt hat.

Der erste große Deal, mit dem der Tiroler 2004 auf sich aufmerksam machte, war die Übernahme des Kaufhauses Tyrol in Innsbruck, des bekanntesten Warenhauses in dem westlichen Bundesland. Später kamen Immobilien in der Wiener Innenstadt wie das "Goldene Quartier" inklusive dem Hotel Park Hyatt (Ex-Länderbank-Zentrale), das Bank Austria Kunstforum Wien und die vom Jugendstil-Architekten Otto Wagner konzipierte Österreichische Postsparkasse ebenso hinzu wie im Ausland etwa das Gebäude der Deutschen Börse in Eschborn, das Hotel Bauer Palazzo in Venedig, eine Hälftebeteiligung am Chrysler Building in New York, am Nobelkaufhaus Selfridges in London und dem Warenhaus Globus in der Schweiz oder der Elbtower in Hamburg, bei dem zuletzt die Bauarbeiten eingestellt werden mussten, weil Signa nach Angaben der Baufirma nicht rechtzeitig zahlte. Das sind nur einige Beispiele für das milliardenschwere Immobilienimperium rund um Benko und seine Signa-Gruppe.

Diskretion  

Benko ist auf Diskretion bedacht, wenn es um sein Privatleben geht. Der mit einem Ex-Model verheiratete mehrfache Familienvater beschränkte seine öffentlichen Äußerungen und Auftritte auf ein Minimum. Seine Verschwiegenheit galt auch für seine Geschäftsergebnisse - in die Bücher seiner bewusst nicht börsennotierten Beteilungsgesellschaft Signa Holding ließ er Außenstehende in der Regel nicht blicken, insbesondere Gewinn- und Reservezahlen behielt er lieber für sich.

Benko umgab sich gerne mit Prominenten aus Politik und Wirtschaft, die ihm immer wieder beträchtliche Summen anvertraut hatten. Zu seinem herbstlichen Törggelen, dem Südtiroler Brauch mit Maroni-Essen und jungen Wein ein, erschienen alljährlich Menschen von Rang und Namen aus Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur. Heuer entfiel der schillernde Event in Wien. Der Unternehmer baute sich ein prominentes Netzwerk auf. In den Aufsichtsräten seiner Gesellschaften sitzen unter anderem Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, die Wüstenrot-Chefin und Ex-FPÖ-Vize-Kanzlerin Susanne Riess-Hahn, der frühere Bank-Austria-Creditanstalt-Chef Karl Samstag, Ex-RBI-Chef Karl Sevelda sowie der französische Geschäftsmann Robert Peugeot und der Finanzvorstand der deutschen RAG-Stiftung, Jürgen-Johann Rupp.

2012 erlitt Benko einen Rückschlag, als er wegen versuchter verbotener Intervention vor Gericht stand. In der Folge zog sich Benko zwar operativ aus seiner Signa Holding zurück, verfügte aber über seine Familienstiftungen über die Mehrheit der Stimmrechte und galt weiterhin als zentraler Entscheidungsträger.

Der umtriebige Tiroler beließ es nicht beim Immobiliengeschäft, sondern baute nach und nach auch ein Handelsimperium mit teils recht attraktiven Immobilien in zentraler Lage auf. 2012 übernahm er gemeinsam mit dem israelischen Diamantenhändler Beny Steinmetz das berühmte Kaufhaus des Westens, das KaDeWe, in Berlin. Europaweit bekannt wurde er 2014 mit dem Kauf der angeschlagenen deutschen Warenhauskette Karstadt. Nachdem sich Benko 2019 auch den Karstadt-Konkurrenten Kaufhof einverleibt hatte, fusionierte er die beiden Kaufhäuser unter dem Dach der "Galeria Karstadt Kaufhof GmbH". Was folgte waren Zahlungsschwierigkeiten, zwei Schutzschirmverfahren, Filialschließungen und die Kündigung Tausender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In der Wiener Mariahilfer Straße steht der Rohbau für das Luxuskaufhaus Lamarr, das 2025 eröffnen sollte.

Kritik wurde lauter

Mit dem Kauf der österreichischen Möbelketten Kika und Leiner verschaffte sich Benko den Eintritt in den heimischen Handel. Ebenfalls 2018 übernahm die Signa Holding vom deutschen Medienkonzern Funke einen Anteil von 49,5 Prozent an der WAZ Ausland Holding GmbH, die wiederum 50 Prozent an der "Kronen Zeitung" und knapp 50 Prozent am "Kurier" hält.

Der "Tiroler des Jahres 2011" war nicht unumstritten. Benko stand regelmäßig im Fokus wegen seiner Immobiliengeschäfte, dem Geschäftsgebaren der Signa-Gruppe, seiner offenbaren Nähe zu Politikern und dem Vorwurf der politischen Einflussnahme in Österreich. Im Herbst 2022 hatte es Hausdurchsuchungen bei der Signa-Gruppe durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegeben. Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid warf Benko vor, dieser habe ihm einen Job im Signa-Konzern angeboten, wenn Schmid im Gegenzug millionenschwere Steuerangelegenheiten für ihn "auf Schiene" bringe. Benko bestritt sämtliche Vorwürfe.

Auch der Umgang mit Galeria Karstadt Kaufhof in Deutschland brachte Benko Kritik ein, weil Galeria insgesamt knapp 700 Mio. Euro Staatshilfen bekam, dann in großem Stil Leute kündigte und Filialen schloss. Für ähnliche Kritik sorgte das Vorgehen seiner Möbelhauskette Kika/Leiner in Österreich. Während der Coronapandemie unterstützte der österreichische Staat die Möbelhausgruppe mit Steuerstundungen in Höhe von 150 Mio. Euro, zudem schickte der Möbelhändler fast alle 4.200 Mitarbeiter in Kurzarbeit.

Anfang Juni 2023 zog sich Benko aus der erst 2018 von der südafrikanischen Steinhoff-Gruppe übernommenen Kika/Leiner-Gruppe zurück. Seine Signa-Gruppe verkaufte die Immobilien der Möbelkette an die Grazer Supernova-Gruppe und das operative Geschäft an den Handelsmanager Hermann Wieser. Kurz nach dem Verkauf wurde bekannt, dass rund die Hälfte der Belegschaft gekündigt werden müsse, wenige Tage später wurde die Insolvenz der Möbelkette angemeldet. Der Hergang und die Folgen der größten Insolvenz der vergangenen zehn Jahre brachten den Geschäftsmann erneut in die Schlagzeilen.

Tiefer Fall

2023 war kein gutes Jahr für Benko, denn die Probleme häufen sich. Die EU-Bankenaufsicht unterzog die Kredite von Banken an die Signa-Gruppe einer Sonderprüfung. Der Abschwung am Immobilienmarkt traf die Signa Holding hart. Hohe Abwertungen auf das Immobilienportfolio drückten das Ergebnis der Signa Prime Selection AG im vergangenen Jahr tief ins Minus. Die Signa Sports United, der Online-Sportartikelhändler rund um Benko, ist zahlungsunfähig und musste im Oktober Insolvenz anmelden, die deutsche Tochter Signa Real Estate Management Germany GmbH eröffnete den Pleiten-Auftakt im November.

Auf wachsenden Druck von Gesellschaftern kündigte Benko heuer im November an, sich von der Spitze des Beirats der Signa Holding zurückzuziehen und die Position an den deutschen Sanierungsexperten Arndt Geiwitz zu übergeben. Geiwitz war zuvor schon als Restrukturierungsberater ins Boot geholt worden und kannte bereits die kriselnde Warenhauskette Galeria Kaufhof Kaufstadt als Sanierer im Signa-Reich. Ende November 2023 war die übergeordnete Beteiligungsgesellschaft Signa Holding zahlungsunfähig. Was folgte, war ein Insolvenzantrag beim Handelsgericht Wien. Angestrebt wird eine Sanierung mit Eigenverwaltung. Das Imperium bestehend aus über 1.000 ineinander verschachtelten Gesellschaften, Untergesellschaften und Einzelimmobilien wankt nach einem knappen Vierteljahrhundert des Wachstums, das geprägt war von niedrigen Zinsen und steigenden Immobilienwerten. Der Milliardär hätte kurzfristig eine Finanzspritze von rund 500 Mio. Euro gebraucht, um das hochverschuldete Signa-Konstrukt in der bisherigen Form am Leben zu erhalten.

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