Der designierte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat "Angst davor, immer größere Lastkraftwagen auf den Straßen vorzufinden". Bei seinem Hearing im Europaparlament sagte Kallas, er könne "nicht sagen, dass wir Vorschläge zur Akzeptanz der Giga-Liner (Lkw bis 60 Tonnen; Anm.) machen werden. Einige sind da sehr enthusiastisch, aber wenn sie mich persönlich fragen, habe ich da so meine Befürchtungen".
Um den Verkehr besser und fairer zu organisieren, "muss jeder sein Scherflein beitragen". Er wolle das Thema der Wegekosten-Richtlinie (Euro-Vignette; Anm.) voranbringen, aber "wir wissen, dass das unter dem spanischen EU-Ratsvorsitz nicht sehr hoch auf der Agenda steht. Für Belgien (das die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2010 innehat; Anm.) könnte sich das aber ändern", kündigte Kallas an. Er teile die Sorgen über regionale Probleme: "Ich bin selbst auch schon in riesengroßen Staus gestanden." Die Wegekosten-Richtlinie sei jedenfalls ein "ernsthaftes Projekt und soll einen Beitrag für das Gesamtziel auch betreffend des Klimawandels leisten".
Was den Einsatz von Biokraftstoffen betrifft, sagte Kallas, die Erwartungen seien sehr hoch, aber man müsse sich das auch leisten und umsetzen können. "Ich bin grün genug, ich wollte schon 1972 Forscher werden", und er habe eine Arbeit über die wirtschaftlichen Probleme und den Umweltschutz begonnen. "Das war vor Urzeiten, aber ich habe die Arbeit leider nicht abgeschlossen."
Zum Verkehrsträger Schiene kritisierte Kallas, dass "das Bahnreservierungssystem derart rückständig" sei. Er wolle diese Thema angehen. Der scheidende EU-Kommissar für Verwaltung meinte: "Ich habe in meinem letzten Mandat, glaube ich, einen bestimmten Erfolg gehabt. Warum sollte das beim neuen Mandat nicht auch so sein!"
Österreichs EU-Abgeordnete enttäuscht
Österreichische Europaabgeordnete haben sich durch die Bank enttäuscht über den designierten neuen EU-Verkehrskommissar Siim Kallas gezeigt. Die Verkehrspolitiker Hella Ranner (V), Jörg Leichtfried (S) und Eva Lichtenberger (G) kritisierten fehlendes Engagement von Kallas für eine Anhebung der Lkw-Mauten in der EU. So wolle Kallas die von Österreich geforderte Anrechnung externer Kosten in die sogenannte Wegekostenrichtlinie auch in Zeiten des Klimawandels nicht, kritisierte Leichtfried.
"Kallas hat sich rein als vehementer Verfechter einer weiteren Verkehrsliberalisierung präsentiert, ohne konkrete Ziele oder Pläne nennen zu können. In seiner Anhörung im Europaparlament ist er in allen Aussagen sehr vage und wenig überzeugend geblieben", kritisierte Ranner. "Kallas redet der weiteren Liberalisierung des Verkehrs, insbesondere des Schienenverkehrs, das Wort", so Leichtfried. Der den Liberalen angehörende estnische Kommissar habe die Frage der Wegekostenrichtlinie nur als 'ernsthaftes Projekt' bezeichnet, bemängelte Ranner: "Die Wegekostenrichtlinie ist nicht für Österreich, sondern auch für das Europaparlament ein zentrales Projekt".
"Er machte überhaupt keine konkreten Aussagen, außer, dass er den Verkehr weiter liberalisieren will. Die Erhöhung der LKW-Maut ist ihm überhaupt kein Anliegen. Er hat wohl Angst vor der LKW-Lobby", kritisierte die Europaabgeordnete der Grünen, Eva Lichtenberger. Kallas sei "in der Verkehrsdebatte 30 Jahre hinterher und als Verkehrskommissar eine Fehlbesetzung". Lichtenberger appellierte an EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, ihm ein anderes Dossier zu geben.
In der Frage einer europaweiten Verkehrszulassung der Gigaliner sei Kallas zu vorsichtig gewesen, kritisierten Ranner und Lichtenberger. Leichtfried bemängelte, Kallas habe zu Fragen nach strengeren Auflagen für Lebendtiertransporte zugeben müssen, dass er keinerlei Kenntnisse über diese Materie habe. "Von einem zukünftigen Vizepräsident der Kommission, der mit einem derart wichtigen Ressort betraut ist, erwarte ich mir mehr", betonte der SPÖ-EU-Parlamentarier. Kallas habe bei vielen seiner Vorschläge fehlende Sachkenntnis und vollkommene Ahnungslosigkeit bewiesen, so Lichtenberger.