In London

Brexit: Tausende Deutsche-Bank-Jobs wackeln

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Verlagerung von Arbeitsplätzen und Aufbau von IT kostet Zeit.

Die Deutsche Bank könnte wegen des Austritts Großbritanniens aus der EU Tausende Arbeitsplätze von London nach Frankfurt verlagern - und drängt auf schnelle politische Weichenstellungen. Für Deutschlands größtes Geldhaus, das in Großbritannien rund 9.000 Mitarbeiter beschäftigt, gebe es derzeit viele offene Fragen, sagte Regulierungsvorstand Sylvie Matherat auf dem Frankfurt Finance Summit.

"Müssen Mitarbeiter, die sich um Kunden in der EU kümmern, in der EU angesiedelt werden? Heißt das, dass ich alle Mitarbeiter mit Kundenkontakt nach Deutschland verlagern muss oder nicht? Wir sprechen dabei von über 2.000 Menschen. Das ist keine kleine Zahl."

Eine weitere offene Frage ist, ob Banken Transaktionen mit EU-Kunden auch in der EU verbuchen müssen. Das wäre laut Matherat mit einem erheblichen IT-Aufwand verbunden. "Wir sprechen über Millionen von Transaktionen." Zudem würden die lokalen Aufsichtsbehörden in diesem Fall zu Recht fordern, dass Banken auch die dafür nötigen Risikomanager vor Ort ansiedeln. "Das bedeutet weitere 2.000 Mitarbeiter."

Von enormer Bedeutung ist aus Sicht von Matherat die Frage, ob Großbanken auch künftig einen Großteil ihrer Euro-Geschäfte in London abwickeln dürfen (Clearing). "Dabei sprechen wir über Transaktionen mit einem Volumen von mehreren Billionen", sagte die Managerin, die zuvor viele Jahre für die französische Zentralbank gearbeitet hat. "Das ist sehr, sehr, sehr wichtig."

   Banken müssen Derivate-Geschäfte über Clearinghäuser abwickeln. Diese stehen im Handel zwischen Käufer und Verkäufer und springen ein, wenn einer der Handelspartner ausfällt. Dadurch soll die Transparenz und Sicherheit des Finanzsystems erhöht werden. Politiker in Deutschland und Frankreich sind der Ansicht, dass das Euro-Clearing nach dem Brexit von London in EU-Staaten verlagert werden muss, damit es weiter von europäischen Aufsichtsbehörden kontrolliert werden kann.

Gute Chancen rechnen sich vor allem Frankfurt mit der Deutsche-Börse-Sparte Eurex Clearing aus und Paris mit Clearnet SA, einer Tochter der London Stock Exchange (LSE). Laut LSE-Chef Xavier Rolet hängen vom Euro-Clearing in Großbritannien mindestens 100.000 Arbeitsplätze ab – bei den Banken etwa im Risikomanagement und in der Verwaltung. Lobbyisten aus Frankfurt und Paris buhlen deshalb hinter den Kulissen heftig um dieses Geschäft. Vielen Großbanken wäre es dagegen am liebsten, dass ein Großteil der Euro-Geschäfte auch künftig in London abgewickelt wird.

Die Deutsche Bank und andere Geldhäuser könnten die Entscheidung, wo sie ihre Geschäfte künftig abwickeln, nicht ewig hinauszögern, sagte Matherat. "Alle brauchen Klarheit - je schneller, desto besser." Für Großbanken ist es von großer Bedeutung, Geschäfte in einem zugelassenen Clearinghaus abzuwickeln - andernfalls würde der Kapitalbedarf für sie deutlich steigen. "Niemand in der Finanzbrache wäre in der Lage, das zu schultern", warnte Matherat.

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