In seiner Amtszeit

Draghi glaubt nicht an Zinserhöhung

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Signal des EZB-Chefs für Zinswende erst 2020 - Leitzins bleibt bei 0,0%.

EZB-Chef Mario Draghi (Bild) wird seine achtjährige Amtszeit Ende Oktober wohl ohne Zinserhöhung beenden. Denn die zuletzt spürbare Konjunktureintrübung macht es für die Europäische Zentralbank schwerer, ihre Geldpolitik langsam zu straffen. Die Finanzmärkte erwarteten die Zinswende erst 2020, sagte Draghi am Donnerstag. Dies zeige, dass sie verstanden hätten, welche Faktoren die EZB-Linie bestimmten. Am Geldmarkt wurde sofort auf den Wink des Italieners reagiert. Investoren taxieren die Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung heuer nur noch auf 40 Prozent. Bisher waren es 45 Prozent.

Der Leitzins liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Offiziell stellt die Europäische Zentralbank (EZB) in Aussicht, ihre Schlüsselsätze noch bis mindestens über den Sommer 2019 hinaus nicht anzutasten. Bisher hat noch kein EZB-Präsident eine Amtszeit ohne Zinserhöhung beendet.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer wertete Draghis Äußerungen als "Sargnagel für eine frühe Zinserhöhung". Seine Botschaft sei, dass es 2019 nichts mit der Zinswende werde, wenn sich die Wirtschaft nicht bald erhole. "Trübt sich die konjunkturelle Situation weiter ein, werden die europäischen Währungshüter entweder länger als erwartet expansiv bleiben oder sogar eine neuerliche geldpolitische Lockerung lancieren", ergänzte der Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, Thomas Gitzel.

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Die zuletzt veröffentlichten Konjunkturdaten seien schlechter als erwartet ausgefallen, sagte Draghi. "Die andauernden Unsicherheiten, insbesondere in Bezug auf geopolitische Faktoren und die Bedrohung durch den Protektionismus, lasten auf dem Wirtschaftsklima." Die Währungshüter kippten deshalb ihre bisherige Einschätzung, dass sich bei den Perspektiven für das Wirtschaftswachstum Gefahren und Chancen weitgehend die Waage halten. Nunmehr würden die Gefahren überwiegen. Diese Einschätzung hätten alle EZB-Ratsmitglieder geteilt. Allerdings sei eine Rezession unwahrscheinlich.

Die pessimistischen Äußerungen zur Konjunktur belasteten kurzzeitig den Euro. Die Gemeinschaftswährung fiel zeitweise um 0,7 Prozent auf ein Fünfeinhalb-Wochen-Tief von 1,1305 Dollar, gegen 18 Uhr notierte sie bei 1,1344 Dollar

Der Einkaufsmanager-Index für die Industrie und Dienstleistungsbranche in der Eurozone fiel im Jänner auf den schlechtesten Wert seit fünfeinhalb Jahren. Zudem trübte sich die Stimmung in der Wirtschaft vor der Jahreswende deutlich ein. Industriebetriebe fuhren ihre Produktion zuletzt überraschend kräftig zurück - vor allem bei Maschinen, Anlagen und anderen Investitionsgütern. Die deutsche Wirtschaft hatte im vierten Quartal nur ein kleines Plus beim Bruttoinlandsprodukt erzielt und entkam damit nur knapp einer Rezession.

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Sollten die belastenden Faktoren für die Wirtschaft anhalten, könne die Wirtschaftsdynamik für längere Zeit schwach bleiben, sagte Draghi. "Wir haben immer noch den ganzen Werkzeugkasten zur Verfügung." Im März werde die Notenbank die Lage neu diskutieren. Die EZB hat neben den Nullzinsen die Wirtschaft mit Wertpapierkäufen im Volumen von 2,6 Billionen Euro gestützt.

Auf ihrem ersten Zinstreffen in diesem Jahr sprachen die Währungshüter auch über langfristige Geldspritzen für Banken. Mehrere Mitglieder des EZB-Rats hätten dieses Thema aufgebracht, sagte Draghi. Allerdings habe keine Entscheidung angestanden. Draghi betonte, falls es zu einer Neuauflage kommen sollte, müsse die Geldpolitik gute Gründe dafür vorbringen.

Die EZB hatte 2016 eine Serie solcher im Fachjargon als TLTRO bekannten Langfrist-Darlehen aufgelegt, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Volkswirte haben darauf hingewiesen, dass ab Mitte 2019 ein Engpass drohen könnte, sollten zahlreiche Geldhäuser erhaltene TLTRO-Darlehen frühzeitig zurückzahlen, ohne eine ähnlich günstige Anschlussfinanzierung an der Hand zu haben.

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