Libro-Prozess

Altaktionäre verkauften mit 384% Rendite

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Die Telekom kaufte ihren Anteil von Altaktionären, die kräftig daran verdienten.

Am heutigen sechsten Tag im Libro-Strafprozess am Landesgericht Wiener Neustadt hat Richterin Birgit Borns mit der Untersuchung der Telekom-Beteiligung an dem Buch- und Papierhandelsunternehmen begonnen. Die Telekom hatte 1999/2000 eine Beteiligung von 25 Prozent und 1 Aktie an Libro erworben. Gekauft wurden nicht junge Aktien beim Börsegang im November 1999, sondern der Anteil wurde von den "Altaktionären" erworben, die heute auf der Anklagebank sitzen. Diese erzielten durch den Deal eine Rendite von 384 Prozent in zwei Jahren, rechnete die Richterin heute Donnerstag vor. Für die Telekom wurde Libro hingegen zum Millionengrab, sie musste die Beteiligung zur Gänze abschreiben. Als Privatbeteiligte hat sich die Telekom mit einem Schaden von 86 Mio. Euro (1,18 Mrd. Schilling) dem Verfahren angeschlossen.

Rettberg: "Ich wollte keine Yachten, ich wollte Libro"
"Das kann sein, ich habe mir das nicht ausgerechnet", meinte der Hauptangeklagte Andre Rettberg, als ihn die Richterin mit der hohen Rendite konfrontierte. Er habe 110 Mio. Schilling für den Anteilskauf eingesetzt und beim Verkauf an die Telekom für 35 Prozent seiner Aktien 189 Mio. Schilling erhalten. "Wie haben Sie sich da gefühlt, mit 189 Millionen, als Buchhandelsgehilfe", wollte die Richterin wissen und spielte damit auf Rettbergs Verantwortung an, er sei ja nur gelernter Buchhändler und habe sich immer auf die Experten verlassen. "Sie werden's nicht glauben, es war für mich bedeutungslos", sagte Rettberg: "Ich wollte keine Yachten, keine Autos, keine verrückten Dinge, ich wollte Libro". Er habe nach dem Verkauf an die Telekom wieder Libro-Aktien erworben. "Ich habe mich als Unternehmer gefühlt, nicht als Finanzinvestor".

Telekom strategisch wichtiger Partner
Die Telekom sei als Partner für Libro insbesondere im Hinblick auf die Internet-Aktivitäten der Tochter Lion cc strategisch günstig gewesen, die Beteiligung hätte neue Marktchancen für beide eröffnen sollen, schilderte Rettberg. Während die Telekom die Netze hatte, hätte Libro die Inhalte geliefert und über Nachrichten, soziale Netzwerke und sonstige Angebote wie e-commerce die Kunden angesprochen. Er habe Heinz Sundt, damals Mobilkom-Generaldirektor, angesprochen, ob er für sein Unternehmen eine Kooperationsmöglichkeit sehe. Von Telekom-Seite sei dann von Werner Kasztler, damals Telekom-Generaldirektor, sofort Interesse geäußert worden.

Nach Gesprächen im Herbst 1999 kam es schließlich zu Rahmenvereinbarungen am 1. Oktober und am 28. Oktober 1999, wonach sich die Telekom Austria zum Erwerb von 25 Prozent plus einer Aktie von Libro verpflichtete. Der Kaufpreis wurde mit dem Emissionskurs des Börseganges mit einem Paketzuschlag von 25 Prozent für den Erwerb der Sperrminorität festgelegt. Gekauft hat die Telekom damit 35,35 Prozent der Aktien der "Altaktionäre", also die Aktien im Bereich der UIAG, die Anteile von Rettberg, von Libro-Finanzvorstand Johann Knöbl und von anderen.

Rettberg verließ sich auf "Fachexperten"
Bei Fragen der Richterin zu den näheren Bedingungen des Telekom-Einstiegs meinte Rettberg, er habe sich da ganz auf die "Fachexperten", Universitätsprofessor Christian Nowotny und den damaligen Libro-Aufsichtsratschef und UIAG-Chef Kurt Stiassny verlassen. "Ich hoffe schon, dass Sie mitbekommen haben, was Sache ist", kommentierte die Richterin. "Sie sagen, Sie haben nichts damit zu tun, aber den Rahmenvertrag haben Sie schon unterschrieben", wies sie den früheren Vorstandschef von Libro auf seine damalige Unterschrift hin. "Selbstverständlich, ich hab unterschrieben was dort ausgehandelt wurde", rechtfertigte sich Rettberg.

Telekom prüfte Beteiligungen erst nach Kauf
Die Telekom Austria hatte ihre Beteiligung an Libro, die sie von den "Altaktionären" um rund 86 Mio. Euro erworben hatte, erst nach dem Kauf genauer unter die Lupe genommen. "Eine Due Diligence (Datenprüfung, Anm.) war aus börserechtlichen Überlegungen zum Zeitraum des Börsegangs nicht möglich, daher wurde vereinbart, wir schauen uns im Anschluss an den Börsegang an, ob die Sachen stimmen", sagte Ex-Libro-Finanzvorstand Johann Knöbl heute bei seiner Befragung durch Richterin Borns. Die Telekom habe vor dem Kauf nur die Analysten-Kommentare und die Informationen im Börseprospekt bekommen, so wie die anderen Interessenten beim Börsegang im November 1999.

Telekom ließ nicht alles prüfen
Bei der "Post Due Diligence" durch die Prüfer von Ernst & Young, die Ende Jänner 2000 begonnen habe, seien auch einige Dinge nicht geprüft worden, die im Rahmenvertrag ausgenommen worden waren. Ausgenommen war etwa ein näherer Blick auf die Libro-Deutschland-Aktivitäten. Darüber habe er sich noch bei Stiassny, damals Aufsichtsratschef von Libro, erkundigt, sagte Knöbl heute: "Deutschland war kein Thema, weil es so nicht ausgemacht war". Die Telekom habe sich mit dem KPMG-Gutachten zu den Deutschland-Aktivitäten zufriedengegeben, erläuterte Stiassny. Rettberg beteuerte, dass nie besprochen worden sei, dass man der Telekom zu Deutschland etwas verheimlichen  solle.

Bilanzen für Libro-Deutschland geschönt
Die defizitäre Libro Deutschland wurde in der Bilanz 1998/99 mit 140 Mio. Schilling (10,17 Mio. Euro) aufgewertet und zwei Jahre danach wieder abgewertet. Ein gerichtlich bestelltes Gutachten kommt zum Schluss, dass dies nicht gerechtfertigt war. Libro Deutschland hatte damals drei Filialen und schrieb Verluste. Die Aufwertung in der Libro-Bilanz stützt sich auf ein KPMG-Gutachten.

Telekom investierte phasenweise nicht in Libro
Das Ergebnis der nachträglichen "Due Diligence" hätten sie erst anlässlich des Strafverfahrens zu Gesicht bekommen, versicherten Rettberg, Knöbl und Stiassny heute. Die Telekom habe im Frühjahr 2000 überraschend bekanntgegeben, dass sie keine gemeinsame Internet-Strategie mit Libro mehr verfolge. "Libro ist eine Zeitlang in der Luft gehängt", erläuterte Stiassny: Die Telekom habe nicht investiert, und der neue Partner WAZ sei noch nicht da gewesen. "Und außerdem, ich habe einen Feind in meinem Bett", warf die Richterin ein. "Fürs Internet stimmt's", gab der Angeklagte der Richterin recht.

Den Hintergrund für den Telekom-Rückzug aus der ursprünglich vereinbarten Internet-Strategie vermutet Stiassny im Telekom-Börsegang, der damals in den Startlöchern gestanden war. Die Investmentbanken hätten der Telekom gesagt, dass sie eine 100-prozentig eigene Internetstrategie fahren müsse. Dies habe er aber nur "indirekt" aus Investmentbank-Kreisen gehört. Die Telekom habe offenbar mit "Jet2web" selber den Internetmarkt erobern wollen.

Der Kaufvertrag habe die Telekom auch abgesichert, meinte Stiassny: Bei Mängeln, die im Einzelfall mehr als 25 Mio. Schilling betragen hätten müssen, hätte der Käufer Gewährleistungsansprüche gegen die Verkäufer gehabt. Der Zuschuss für die Steffl-Filiale sei aber von den Gewährleistungsansprüchen ausgeschlossen gewesen. Die Telekom habe davon gewusst, so der frühere Libro-Aufsichtsratschef.

Strategiewechsel bei Telekom bereitete Libro Probleme
Die Änderung der Telekom-Strategie zum Internet habe Libro große Probleme bereitet und Umsätze abgezogen, schilderte auch Finanzvorstand Knöbl. Die Telekom habe sich aber davon nicht beeindruckt gezeigt, obwohl sie die Kooperationsvereinbarung gebrochen habe. Dass Libro die Einhaltung der Vereinbarung  nicht eingeklagt habe, führte Knöbl einerseits auf den Umstand zurück, dass die Telekom ja nach wie vor Libro-Kernaktionär gewesen sei. Außerdem habe der große Telekom-Konzern auf seinen längeren Atem verwiesen. "Da hat man aus der Telekom gehört, 'klagt's nur, wenn die Klage durch ist seid's schon tot'".

Für die Telekom kam der Libro-Kauf teuer, sie hatte ihre Beteiligung schon Ende 2000 auf Null abgeschrieben.

Der Prozess wird morgen, Freitag, ab 9 Uhr im Landesgericht Wiener Neustadt fortgesetzt.
 

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