Gegen Gehaltsabzocke

Schweiz stimmt über üppige Gehälter ab

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Das Höchste Gehalt in Firmen darf max. das 12-fache des niedrigsten betragen.

In der Debatte um Gehaltsexzesse werden die Schweizer am Sonntag erneut an die Wahlurnen gerufen. Sie sollen über einen Vorschlag der Initiative 1:12 abstimmen: Danach darf das höchste Gehalt in einem Unternehmen maximal das zwölffache des niedrigsten betragen.

Auf den Weg gebracht wurde die Initiative schon 2011 von den Schweizer Jungsozialisten. Längst wird sie von den Gewerkschaften unterstützt, vor allem von der Unia, die mit Plakaten für eine gerechtere Bezahlung wirbt. Ein an Bahnhöfen plakatiertes Bild zeigt einen einfach belegten Hamburger neben einem Zwölffach-Burger und den Worten: "12 x mehr Lohn ist genug."

Im Visier haben die Initiatoren vor allem die gigantischen Vorstandsgehälter bei Banken und in der Pharmaindustrie. Presseberichten zufolge betrug das höchste Gehalt beim Lebensmittelkonzern Nestlé im Jahr 2011 das 73-Fache des niedrigsten. Beim Pharmariesen Novartis betrug die Differenz 1:266. Der Chef des Schweizer Bankkonzerns Credit Suisse verdiente 2010 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 90 Mio. Schweizer Franken (58,43 Mio. Euro) - das war 1.812 mal so viel wie das niedrigste Gehalt in dem Institut.

Schon im März dieses Jahres hatten sich zwei Drittel der Schweizer für die "Volksinitiative gegen die Abzockerei" ausgesprochen. Danach sollen ein "goldener Handschlag" beim Weggang aus einem Unternehmen sowie Begrüßungsmillionen vor dem Antritt eines neuen Arbeitsverhältnisses verboten werden. Die Wirtschaft war nicht begeistert - und warnt, je näher das Referendum 1:12 rückt, zusehends lauter.

Der Präsident des Rückversicherers Swiss Re, Walter Kielholz, sagte kürzlich, eine Beschränkung der Vorstandsvergütung könne die Abwanderung der qualifiziertesten Partnerunternehmen ins Ausland zur Folge haben. Ende Oktober schrieben große Unternehmen wie Nestlé und Novartis einen Brief an ihre Mitarbeiter, um ihre Besorgnis kundzutun.

Einer Studie der Technischen Universität Zürich zufolge wären 1.000 bis 1.300 Firmen betroffen, wenn der 1:12-Vorschlag umgesetzt würde. Schweizer Unternehmen wären kaum darunter - die großen Gehaltsunterschiede gibt es eher bei den multinationalen Konzernen. Die Gegner der Initiative befürchten, dass die großen Konzerne ihren Firmensitz ins Ausland verlegen könnten, was auf Kosten der kleinen und mittleren Unternehmen ginge, die von ihnen abhängig sind.

Er verstehe die Verärgerung der Bevölkerung angesichts einiger Gehälter, die nicht verdient seien, sagte der Chef der Schweizer Christdemokraten, Christophe Darbellay. Doch die Schweizer würden sich mit der Initiative ins eigene Knie schießen. Werde sie angenommen, drohten ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und ein Rückgang von Steuereinnahmen und Sozialabgaben.

Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige UNO-Chefökonom Heiner Flassbeck zählt zu den Befürwortern der Initiative. Sie sei gerechtfertigt, weil die Abweichung der hohen Gehälter immer größer werde, sagte er AFP. Die inflationäre Vergütung der Konzernchefs sei unverhältnismäßig im Vergleich zur wirtschaftlichen Produktion.

Der Schweizer Ökonom Stephane Garelli von der Universität Lausanne erinnert daran, dass die Initiative eine Reaktion auf die Rettung des Schweizer Bankenkonzerns UBS durch den Steuerzahler sei. Dieser musste dem Institut während der Finanzkrise mit Milliarden unter die Arme greifen.

Mitte Oktober hatten sich Gegner und Befürworter der Initiative 1:12 noch die Waage gehalten. Doch die Stimmung ist gekippt. Einer Mitte vergangener Woche veröffentlichten Umfrage zufolge wird sie inzwischen nur noch von 36 Prozent der Stimmberechtigten unterstützt. 54 Prozent der Befragten kündigten an, mit Nein zu stimmen, zehn Prozent waren noch unentschlossen.

Doch egal, ob die Initiative Erfolg hat oder nicht - sie ist nach Ansicht von Stephane Garelli auf jeden Fall ein deutliches Signal an Politik und Unternehmen. "Die Botschaft ist wichtig: Sie zeigt, dass diese hohen Gehälter nach Ansicht der Bevölkerung etwas Unanständiges haben."

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