Handel

Händler sprechen Klartext: "Das fordern wir jetzt von der Politik"

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Der Handel ist mit 900 Insolvenzen im Vorjahr Pleiten-Spitzenreiter. 6.000 Geschäfte mussten schließen. Kosten-Lawine und Personalmangel belasten die Branche auch heuer stark. 

Teuerung, Energiekosten-Explosion, Mitarbeitermangel sowie die Nachwirkungen der Coronakrise machen dem österreichischen Handel weiter schwer zu schaffen. 35 % der Handelsbetriebe haben das Jahr 2022 mit Verlust abgeschlossen, wie eine Blitzumfrage des Handelsverbands zeigt. Bei 33 % gab es ein ausgeglichenes Ergebnis, Gewinne haben nur 32 % geschrieben. 

Bei den Erwartungen für das Jahr 2023 sieht es ähnlich aus: Rund ein Drittel der Händler rechnet mit stabilen Umsätzen im Vergleich zu 2022, ein Drittel erwartet Rückgänge, ein Drittel eine Steigerung,

35.000 Mitarbeiter fehlen

Eines der größten Probleme ist der Personalmangel: Österreichweit fehlen im Handel derzeit 35.000 Mitarbeiter. Das macht fast jedem Betrieb schwer zu schaffen. Bei 18 % der Handelsunternehmen ist aktuell wegen Mitarbeitermangel nur eingeschränkter Betrieb möglich.

36 % der heimischen Händler haben zudem bis heute nicht alle zugesagten Corona-Entschädigungen erhalten.

Bei den zuletzt wieder stark steigenden Unternehmens-Pleiten hat der Handel "die Nase vorn": In keiner anderen Branche gab es zuletzt so viele Pleiten, nämlich 900. Außerdem wurden 6.000 Geschäfte geschlossen. 

"900 Firmenpleiten und tausende Schließungen innerhalb eines Jahres sprechen Bände. Viele Händler, kleine Einzelkämpfer aber auch große Traditionshäuser, bleiben auf den Krisenkosten sitzen. Um Arbeitsplätze, Diversität der Handelslandschaft sowie Stadt- und Ortskerne zu erhalten, muss die Bundesregierung eine Entlastungsoffensive für den heimischen Handel umsetzen", mahnt Handelsverbands-Chef Rainer Will.

Die Händler richten acht konkrete Forderungen an die Politik:

1. Arbeitsmarktreform

"Arbeit muss sich wieder lohnen – das ist ein Gebot der Fairness für alle Beteiligten", sagt Alpay Güner, Vorsitzender der Geschäftsführung von MediaMarkt Österreich. Die abgesagte Arbeitsmarktreform müsse dringend wieder angegangen werden. Hintergrund ist: Wenn mit Arbeitslosengeld und geringfügigem Zuverdienst der Anreiz für einen regulären Job schwindet, stimmt etwas nicht.

Sinnvoll wäre es aus der Perspektive der Händler auch, ältere Menschen länger in Beschäftigung halten zu können. "Beim Arbeitskräftemangel gäbe es eine rasche Entlastung, wenn wir den Menschen in der Pension eine lohnnebenkostenentlastende Möglichkeit geben, etwas dazuverdienen zu können", so Ernst Mayr, Geschäftsführer von Fussl Modestraße. Oft gebe es Mitarbeiter, die über das gesetzliche Pensionsalter hinaus bleiben wollen - für die es sich aber schlicht nicht auszahle.

2. Ausbau der Kinderbetreuung

72 % der Handelsangestellten sind weiblich. Damit mehr Frauen, die noch immer den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung über haben, sich frei entscheiden können, von Teilzeit in Vollzeit zu wechseln, brauche es eine bessere Kinderbetreuung. Handelsverband und Sozialpartner fordern einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Lebensjahr - leistbar und flächendeckend in ganz Österreich. Mit Öffnungszeiten, die mit einer Vollzeitbeschäftigung vereinbar sind.

3. Auszahlung ausständiger Corona-Entschädigungen

Noch immer haben 36 % der Händler nicht alle beantragten Corona-Entschädigungen erhalten. Vor allem beim Verlustersatz gebe es massive Verzögerungen. Und bis zu 30 % der Unternehmen befürchten, von Rückforderungen betroffen zu sein. "Wir Händler haben für die Corona-Lockdowns weit weniger Entschädigungen erhalten, als uns von der Bundesregierung zugesichert wurde. Jetzt gibt es Streichungen der Entschädigungen und nachträgliche Änderungen der Richtlinien. Das verstößt gegen den Vertrauensgrundsatz", klagt Fussl-Chef Ernst Mayr.

4. Entschädigung für Energie-Mehrkosten 

Heuer muss der Einzelhandel laut einer Studie von EcoAustria im Auftrag des Handelsverbandes Energie-Mehrkosten von 486 Millionen Euro (im Vergleich mit 2021) stemmen. Vor diesem Hintergrund gebe es dringenden Nachbesserungsbedarf bei den Unterstützungen für Handelsbetriebe. 

5. Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital

Die Eigenkapitalausstattung ist in Österreich mit 36% im internationalen Vergleich sehr gering. Die Pandemie hat die Kapitalstruktur der Betriebe weiter verschlechtert, zudem belasten hohe Fixkosten auf Eigenkapital und Liquidität. Die anhaltende steuerliche Benachteiligung von Eigenkapital gegenüber Fremdkapital könnte etwa durch die steuerliche Abzugsfähigkeit von Eigenkapitalzinsen reduziert werden, stellen die Händler zur Diskussion. Das würde das Eigenkapital stärken und die Unternehmen krisenfester machen.

6. Mietvertragsgebühr abschaffen

Es sei unverständlich, warum stationäre Geschäfte weiterhin eine Mietvertragsgebühr bezahlen müssen und damit vom Staat quasi "bestraft" werden, wenn ein Geschäftslokal angemietet oder gepachtet und Mitarbeiter angestellt werde. Die Abschaffung dieser Gebühr sei überfällig, sagt Handelsverbands-Chef Rainer Will. Die Mietvertragsgebühr sei zudem eigentlich keine Gebühr, sondern eine versteckte Steuer, da der Staat keinerlei Gegenleistung für die Mietverträge erbringe. "Dieses Relikt aus Zeiten Maria Theresias belastet Firmen in Österreich unnötig, weil das Finanzministerium nicht auf 150 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr verzichten will", ärgert sich Will. 

 

 

 

 

 

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