ORF: Grasl fühlt sich neuer Aufgabe gewachsen

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Der Karrieremann aus dem Landesstudio NÖ ist mit seinen 36 Jahren sogar noch jünger als sein Vor-Vorgänger Alexander Wrabetz, der die Kaufmännische Direktion mit 38 übernahm. Im kaufmännischen Bereich ist der ehemalige niederösterreichische Chefredakteur bisher ein weitgehend unbeschriebenes Blatt - weshalb er sich die neue Funktion dennoch zutraut und was er in den kommenden Monaten plant.

Richard Grasl galt als Wunschkandidat der ÖVP. Dennoch will er sich nicht politisch ein- oder zuordnen lassen. Auch den Stempel "teuerster ORF-Transfer aller Zeiten" will er nicht tragen. Ob er sich vorstellen könnte, einmal Generaldirektor des ORF zu werden, darauf wollte sich Grasl nicht festlegen.

Ein kritischer Kommentator hat gemeint, es wäre international völlig undenkbar, dass jemand mit Ihrem beruflichen Vorleben CFO eines von der Umsatzgröße mit dem ORF vergleichbaren Unternehmens wird. Sie trauen sich das trotzdem zu. Warum?
Richard Grasl: Weil ich einerseits eine wirtschaftliche Grundausbildung habe und andererseits den ORF seit 17 Jahren von all seinen Seiten kenne. Vonseiten der Landesstudios, der Zentrale, vonseiten eines Redakteurs und Moderators und vonseiten des Chefredakteurs und damit Budgetverantwortlichen. Dieses Portfolio will ich in meiner neuen Aufgabe so zusammenfassen, dass man die Finanzen dieses Hauses in den nächsten Jahren so umstrukturiert, dass möglichst viel Geld in die Programmabteilungen geht, um den ORF weiter zu stärken.

Und Sie glauben, dass diese Vorkenntnisse für die Leitung der Kaufmännischen Direktion ausreichen?
Ich habe nicht nur im Bereich Unternehmensberatung und Wirtschaftsprüfung gearbeitet, sondern auch als Chefredakteur im Landesstudio, wo ich Budgetverantwortung getragen habe. Eine bessere Ausbildung, als das im eigenen Unternehmen "on the job" zu lernen, gibt es nicht. Darüber hinaus sind die kaufmännischen Abteilungen im Haus so professionell, dass man sich in einer Übergangszeit auf sie verlassen kann.

Können Sie Bilanzen lesen?
Ja. Auch Gewinn- und Verlustrechnungen. Auch Cash flow-Rechnungen.

Wie würden Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage des ORF beschreiben?
Ich glaube, dass der ORF in einer sehr herausfordernden und gleichzeitig sehr sehr schwierigen Situation ist - durch den Marktdruck und die Situation am Werbemarkt. Ich glaube, dass wir durch das von Alexander Wrabetz eingeleitete Struktur- und Maßnahmenpaket einen sehr guten Weg eingeschlagen haben. Dieser Weg muss aber noch fortgesetzt werden.
Ich glaube, dass wir die Situation mit vernünftigen Restrukturierungen und einer Kostenanalyse aller Faktoren so hinbekommen, dass das Unternehmen finanziell schon in den nächsten Jahren am Medienmarkt bestehen kann. Außerdem hat sich die Ausgangslage durch Sparpaket und Gebührenrefundierung gegenüber der Situation vor einem Jahr stark verbessert. Ich glaube, dass es mit dem neuem Enterprise-Chef gelingen wird, die Werbepreise zu stabilisieren und zu steigern.

Sie wurden von ORF-General Wrabetz mit der Entwicklung eines Struktur- und Kostensenkungsprogramms betraut. Wie sehen dabei die nächsten Schritte und Pläne aus, die sie dem Stiftungsrat vorgeschlagen haben?
Wir brauchen ein sofortiges Restrukturierungsprogramm und müssen sämtliche Kosten auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen, um möglichst viele Mittel für das Programm frei zu machen. Doppelgleisigkeiten müssen beendet werden, außerdem muss es ein klares Bekenntnis zu den Landesstudios geben. Meiner Meinung nach ist auch eine rasche Klärung der Standortfrage nötig. Erst wenn die Standortfrage grundsätzlich geklärt ist, kann man die Strukturmaßnahmen darauf ausrichten.

Wo orten Sie Doppelgleisigkeiten?
Ich möchte keine Details nennen, ohne mit den Verantwortlichen vorher geredet zu haben. Das würde zu psychologischen Widerständen in genau jenen Abteilungen führen, die betroffen sind. Es geht aber um Abteilungen quer durch das Haus, vom Programm bis hin zur Kaufmännischen Direktion.

Sind weitere Ausgliederungen für den neuen Kaufmännischen Direktor sinnvoll?
Man muss ein gesamtes Beteiligungskonzept entwickeln und jede einzelne Ausgliederung auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Ausgliederungen sind nicht die Lösung aller Probleme, aber es gibt sicher Bereiche, in denen sie sinnvoll sind.

Welche Bereiche sind das?
Kein Kommentar.

Werden Sie als Kaufmännischer Direktor stärker in Erscheinung treten, als ihre Vorgängerin?
Über meine Vorgängerin kann und will ich nichts sagen, außer dass ich sie persönlich schätze. Sie hat sich in den vergangenen drei Jahren sehr eingesetzt und gemeinsam mit ihrem Team wesentlich zum Erreichen der schwarzen Null 2010 beigetragen. Auch die Übergabe gestaltet sich sehr kollegial und reibungslos.

Ihr Aufstieg ins Direktorium war der ÖVP offenbar so wichtig, dass diese bei einigen wesentlichen Punkten im ORF-Gesetz umgefallen ist und die Volkspartei auch noch der 160 Mio. Euro schweren Gebührenrefundierung zugestimmt hat. Eine schwere Last, die sie das mitschleppen. Wie fühlt man sich so als "teuerster ORF-Transfer" aller Zeiten. Glauben Sie, dass Sie die in Sie gesetzten Erwartungen erfüllen können?
Ich wehre mich dagegen, dass die in Aussicht gestellte Gebührenrefundierung, die ich übrigens für sehr wichtig und gut halte, mit einer einzelnen Personalentscheidung verknüpft wird. Und ich wage zu bezweifeln, dass der ORF die Refundierung nicht bekommen hätte, wenn ich nicht Kaufmännischer Direktor geworden wäre. Das ist eine gute journalistische Zuspitzung aber realpolitisch ausgeschlossen.

Wo stehen sie politisch?
Ich mag es nicht, in Schubladen geschoben zu werden und lasse mich auch nicht politisch zuordnen. Ich bin nie Mitglied einer politischen Partei, einer Vorfeldorganisation oder Bediensteter einer Partei gewesen. Und ich habe mich noch nie politisch engagiert, außer gegen die Einfahrtstraße meiner Wohnsiedlung, die ich gemeinsam mit einer Bürgerinitiative gegen den Willen der dortigen ÖVP verhindert habe.

Dennoch wird Ihnen eine gewisse Nähe zum niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll nachgesagt. Er war ja auch Gast auf Ihrer Hochzeit.
Es gibt weder eine politische noch eine persönliche Verknüpfung zu Erwin Pröll. Der Landeshauptmann besucht viele Veranstaltungen in Niederösterreich, bei denen sich Personen des öffentlichen Lebens tummeln - so auch unsere Hochzeit. Er hat dort meiner Frau und mir gratuliert und ist dann wieder gegangen, wie übrigens auch Politiker anderer Parteien. Sonst habe ich zu ihm eine professionelle Arbeitsbeziehung, wie jeder Chefredakteur eines Mediums mit den Politikern, über die er berichtet.

Und wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Generaldirektor Wrabetz beschreiben?
Sehr professionell, durchaus vertrauensvoll.

Wrabetz wird gilt als SPÖ-nah, Sie als ÖVP-nah. Werden Sie beide den großkoalitionären Kuschelkurs auf Regierungsebene nun auch im ORF fortsetzen?
Alexander Wrabetz und ich sind mit Stimmen von mehr als einer Großen Koalition gewählt worden. Im ORF gibt es nur eine Koalition, und zwar mit unseren Sehern und Hörern.

Wie lange wollen Sie Kaufmännischer Direktor bleiben?
Ich bin für 2 Jahre gewählt und werde nach Ablauf dieser Periode überlegen, ob ich mich für eine weitere Periode bewerben werde. Soweit ich das bis jetzt absehen kann, ist das ein Job, der durchaus herausfordernd ist und interessant sein kann.

Das klingt so, als könnten sie sich den Job des ORF-Finanzchefs länger vorstellen?
Ja.

Werden Sie sich 2011 für den Posten des ORF-Generaldirektors bewerben?
Es gibt in den nächsten 24 Monaten so viel zu tun, dass es völlig unprofessionell wäre, sich auf etwas anderes zu konzentrieren und sich über etwas anderes Gedanken zu machen, als über das, was in den nächsten 24 Monaten vor uns liegt.

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