Bis 19. Dezember soll das neue ORF-Gesetz beschlossen sein - die Vorstellungen der Koalitionspartner darüber, wie die Novelle aussehen soll, gehen derzeit aber stark auseinander. "Es sieht nicht sehr gut aus", räumte ÖVP-Mediensprecher Karlheinz Kopf im APA-Gespräch ein.
Nach wie vor scheiden sich die Geister an der Größe und Kompetenz der künftigen ORF-Geschäftsführung, den laut ÖVP "überzogenen Strukturen" und der Neuordnung der Gremien. Zuletzt gab es immer wieder Spekulationen, die Regierung werde sich nicht einigen können und daher nur eine Minimalkorrektur am ORF-Gesetz vornehmen. Für Kopf ist das nicht denkbar: "Wenn man unsere Zustimmung haben will, dann kann es nicht nur um ein paar zwingende, von der EU vorgegebene kosmetische Veränderungen gehen", so Kopf. Vizekanzler Josef Pröll (V) betonte im APA-Interview, dass die ÖVP zum ORF-Gesetz "klare Vorstellungen" habe. "Für uns steht jedenfalls einmal nicht die personelle Diskussion im Vordergrund, sondern die Frage: Was ist der öffentlich-rechtliche Anspruch?"
Diskussion um Entscheidungsstrukturen
Weiters gehe es um die Frage der Entscheidungsstrukturen im ORF und im Sinne des Publikums und der Steuerzahler auch um die Frage der ökonomischen Notwendigkeiten der wirtschaftlichen Ausrichtung, der Effizienzsteigerung. Eine Privatisierung von ORF 1 werde "nicht diskutiert", so Pröll.
Mediensprecher Kopf ist der Meinung, dass auch die Wechselwirkungen auf andere Medien berücksichtigt werden müssen. So würden ORF-Werbebeschränkungen den Privatsendern sowie der Printbranche "Luft zum Atmen" verschaffen. "Es geht hier nicht darum, den ORF zu ärgern, sondern darum, eine Medienvielfalt zu gewährleisten." Eine Beschränkung der Werbezeiten hält der Mediensprecher schon deshalb für nicht all zu dramatisch, "weil der ORF nicht einmal jetzt in der Lage ist, alle Werbemöglichkeiten auszuschöpfen". Werbeeinschränkungen fordert Kopf etwa für den Onlinebereich, der "zwar gut gemacht, aber mit Gebühren quersubventioniert ist. Hier haben die Privaten klare Wettbewerbsnachteile."
Die bisherigen Kosteneinsparungsmaßnahmen der ORF-Geschäftsführung gehen dem ÖVP-Politiker "zu stark und zu simpel in Richtung Programm". Es würden Drohszenarien aufgebaut, etwa mit der Einstellung von Sport Plus, der Streichung des Film- und Fernsehabkommens oder den Kürzungen in den Landesstudios. "Mir kommt es so vor, dass man hier mit dem Protest der Betroffenen kalkuliert, die dann wieder Druck auf die Regierung ausüben, dass diese dem ORF mehr Geld gibt. Dieses Kalkül, sollte es dahinter stecken, wird nicht aufgehen."
Pröll: Lösung für den ORF möglich
Mit Hilfe der parlamentarischen Enquete am 17. September hofft Kopf, das Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es soll unter Einbeziehung von Experten vor Augen geführt werden, welche Erwartungen man an einen ORF haben kann und welche Verpflichtungen ein Sender hat, der "das Privileg genießt, Pflichtgebühren zu bekommen". Pröll gibt sich optimistisch und glaubt, dass gemeinsam mit dem Koalitionspartner "eine Lösung für den ORF, der das Flaggschiff der österreichischen Medienlandschaft ist, möglich ist".
Keinen Bedarf zum Einschreiten sieht Kopf derzeit in der Printbranche. Die Wirtschaftskrise gehe zwar auch an den Zeitungen nicht spurlos vorbei, dennoch seien bei der ÖVP bisher noch "keine Wünsche angelangt, hier in irgendeiner Weise Aktionen zu setzen". Die Verleger hätten sich zwar über die Absage der Regierungskampagne im Herbst beschwert, Kopf glaubt aber nicht, "dass dem Zeitungsmarkt mit diesen fünf Millionen Euro aus der Krise geholfen wäre".
ORF verwehrt sich gegen ÖVP-Attacken
Der ORF hat die Kritik von Kopf an seiner Berichterstattung scharf zurückgewiesen. ORF-Sprecher Pius Strobl bezeichnete die Vorwürfe als "vollkommen aus der Luft gegriffen". In der Berichterstattung des ORF gebe es weder erfolgreich umgesetzte Interventionen noch - wie Kopf gemeint hatte - "manipulativ" zusammengeschnittene Interviews.
Man ersuche "den Herrn Klubobmann dringend um die Vorlage von Belegen und Beweisen für seine öffentlich geäußerten Vorwürfe, da es keinen internen Anhaltspunkt für deren Richtigkeit gibt", so Strobl in einer Aussendung. Für die Journalisten des ORF sei gerade die Glaubwürdigkeit, Objektivität und Äquidistanz zu allen politischen Parteien höchstes Gut. Es sei vielfach unter Beweis gestellt, dass Interventionen in der ORF-Information - sowohl im Fernsehen als auch im Hörfunk - nie von Erfolg gekrönt sind und als "untauglicher Versuch" enden.
Kopfs Vorwurf, im ORF würden "Interviews manipulativ zusammengeschnitten", gehe "vollkommen ins Leere", so Strobl. "Solange immer wieder die politischen Parteien wechselnd unzufrieden sind, scheinen unsere Journalisten auf dem richtigen Weg zu sein".