Löst am 1. Oktober Brandstätter ab, dieser bleibt Herausgeber.
Die ÖSTERREICH-Exklusiv-Meldung, dass Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter abgelöst wird, war die letzten Tage DAS Gesprächsthema in der Wiener Medienszene. Jetzt wurde die erste Meldung von ÖSTERREICH bestätigt. Martina Salomon (58) ist neue Chefredakteurin des "Kurier", teilte die Zeitung online am Mittwoch nach der Sitzung des Aufsichtsrates mit. Sie wurde nach APA-Informationen einstimmig bestellt und löst mit 1. Oktober Helmut Brandstätter ab, der Herausgeber bleibt.
Salomon ist seit 2010 beim "Kurier", als sie der damals neue Chefredakteur Brandstätter zu seiner Stellvertreterin machte. Davor war sie bei der "Presse" Innenpolitik-Chefin gewesen. 2012 wurde sich auch Wirtschafts-Ressortleiterin des "Kurier". Am Mittwoch nannte sie "guten, auf Fakten basierten und konstruktiven Journalismus, der immer die Interessen der Leserinnen und Leser unserer großen 'Kurier'-Familie im Auge behält" als ihr "größtes Anliegen". Sie habe "Respekt vor der Aufgabe, Respekt vor der Qualität der Kolleginnen und Kollegen" und "Freude an dem, was wir gemeinsam im Team leisten werden".
Entscheidung nach Hearing-Prozess
Aufsichtsratsvorsitzender Erwin Hameseder (Raiffeisen) bezeichnete Salomon als "eine der profiliertesten Journalistinnen des Landes" und hob den Stellenwert einer Frau als Chefredakteurin einer Tageszeitung hervor. Man habe die Entscheidung nach einem "aufwändigen Hearing-Prozess" getroffen. An Brandstätter richtete Hameseder Dankesworte: "Für die erfolgreiche Führung der Redaktion in den letzten acht Jahren und die Bereitschaft, für weiterhin als Herausgeber zur Verfügung zu stehen".
Salomon werde "die Positionierung und das digitale Transformationsprojekt des Medienhauses weiter vorantreiben", erklärte Geschäftsführer Thomas Kralinger. Auch er dankte dem scheidenden Chefredakteur "für acht erfolgreiche Jahre", er habe das Medienhaus "sicher durch diese unruhigen Zeiten navigiert" und Reichweite und Marktposition "stabil" gehalten.
Die Funktion als Herausgeber nimmt Brandstätter seit fünf Jahren wahr, auf diese Rolle werde er sich künftig konzentrieren, genauso wie auf seine "publizistische Tätigkeit", sagte er. Er betonte auch die "besondere Vertrauensstellung", da der Herausgeber "nach unserem Redakteursstatut für die Blattlinie verantwortlich ist". Er sei als Herausgeber zeitlich unbefristet bestellt.
Vor Salomons Antritt am 1. Oktober ist noch die "Kurier"-Redaktion am Wort, die gemäß Statut über die Chefredaktion abstimmen kann.
Salomon: Ehrgeiziger Genussmensch an der "Kurier"-Spitze
Mit Martina Salomon (58) leitet erstmals eine Chefredakteurin die Tageszeitung "Kurier". Als Frau mit journalistischem Biss beschreiben sie Wegbegleiter, als ehrgeizig bezeichnet sie sich selbst, privat ist sie ein Genussmensch. Ihre Karriere führte sie von Anfängen bei ORF, "Oberösterreichischen Nachrichten", "Tiroler Tageszeitung" über "Standard" und "Presse" schließlich zum "Kurier".
"Beruflich unstet, aber privat bodenständig", so charakterisierte sich Salomon selbst in einem Porträt anlässlich ihres Wechsels zum "Kurier" im Jahr 2010, wo die damalige Innenpolitik-Ressortleiterin der "Presse" stellvertretende Chefredakteurin wurde. Ab und zu das "Hirn durchzuschütteln" sei notwendig, "wer das nicht tut, erstarrt". Mit dem nunmehrigen Avancement werden jetzt definitiv noch tiefere Wurzeln in Wien-Heiligenstadt geschlagen.
Eine Frau an der Spitze einer heimischen Tageszeitung hat in Österreich immer noch Seltenheitswert. Schon bisher wurde Salomon, die neben ihrer journalistischen Tätigkeit auch als Buchautorin und Moderatorin präsent ist und im Vorjahr für die "Medienlöwin" in Gold nominiert war, gerne nach dem Patentrezept gefragt, wie denn im Mediensektor die "Gläserne Decke" zu durchbrechen sei. Sie habe eine "dickere Haut", sei "ein bissl cooler, ein bissl ehrgeiziger", sagte sie in dieser Hinsicht einmal. "Und ich habe Möglichkeiten wahrgenommen. Ich denke, es liegt an den Frauen, dass sie selten in Führungspositionen sind, denn sie schreien seltener 'hier' und sie trauen sich weniger zu." Mit Zuschreibungen wie "bürgerliche Emanze" oder "liberal-konservativ" hat sie kein Problem, sie findet es "nicht schlecht, nicht einordenbar zu sein". Salomon ist mehrfach mit Journalismuspreisen ausgezeichnet und zudem seit 2014 Vizepräsidentin des Presseclubs Concordia.
Sie stammt aus Traun in Oberösterreich, studierte Germanistik und Publizistik in Salzburg und promovierte 1986. Ihre Karriere startete beim ORF-Landesstudio Oberösterreich, dann ging es zu den "Oberösterreichischen Nachrichten", zur "Tiroler Tageszeitung" und schließlich zum "Standard". Dort war sie 15 Jahre Innenpolitik-Redakteurin mit Schwerpunkt Bildungs- und Gesundheitspolitik. 2004 wurde sie Innenpolitikchefin der "Presse" und blieb das sechs Jahre bis zu ihrem Wechsel zum "Kurier". Dorthin holte sie Helmut Brandstätter als seine Stellvertreterin, nun folgt sie ihm nach. 2012 wurde sie zudem Wirtschafts-Ressortleiterin. "Salomonisch" heißt ihre wöchentliche "Kurier"-Kolumne.
Privat ist Salomon mit dem ORF-Journalisten Gerhard Jelinek verheiratet. Das Paar hat zwei erwachsene Söhne, sie gilt als ausgeprägter Familienmensch. Ein wichtiges Hobby: ausgedehntes Kochen für Freunde und Familie. Das Interesse an Kulinarik lebte sie mit den Buchprojekten "Friss oder stirb (nicht)" (2014) oder "Salomonisch serviert" (2018) auch als Autorin aus. Überliefert ist auch, dass sie eine Schwäche für britische Minz-Schokolade hat und "niemals Fleisch zu Dumping-Preisen" kaufen würde: "Dabei geht's nicht nur um den Geschmack, sondern auch ums Tierwohl."