Ausstieg aus Krisenmodus nur bei Inflationsgefahr

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Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die massive Unterstützung des Finanzsystems mit billigem Geld und rekordniedrigen Zinsen erst dann wieder zurückfahren, wenn Inflationsgefahr droht. Noch sei der richtige Zeitpunkt für einen Ausstieg aus der Krisenpolitik nicht gekommen, bekräftigten am 4. September mehrere Top-Notenbanker.

Man werde aber gegensteuern, sollte der Preisdruck durch die Aufschwungkräfte zu stark werden. Am 3. September hatte die EZB Euro den Leitzins bei einem Prozent belassen. Er liegt seit Mai auf diesem Rekordtief. Notenbankchef Jean-Claude Trichet sagte am 4. September auf einer Konferenz in Frankfurt, die EZB könne jederzeit flexible reagieren, falls die Inflation anziehe und die Verspannungen an den Finanzmärkten anhielten.

"Unser Regelwerk erlaubt es, die kurzfristigen Zinsen zu ändern, auch wenn wir unsere unkonventionellen Maßnahmen weiter laufen lassen, falls dies nötig ist", sagte Trichet. "Diese Möglichkeit hat wichtige Konsequenzen: sie bedeutet, dass der EZB-Rat Zinsmaßnahmen mit der Rücknahme der Liquiditätsmaßnahmen kombinieren kann. Es gibt keine festgelegte Abfolge von Änderungen des Leitzinses und der Rücknahme der anderen Maßnahmen."

Weiterhin "gewaltige Unsicherheiten"

Der Chef der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, erklärte am 4. September in Berlin, die Krise sei noch keineswegs vorbei. "Die globale Rezession läuft aus, doch es bleiben gewaltige Unsicherheiten", warnte er. "Wahrscheinlich stehen uns noch weitere Prüfungen bevor." Auch EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark warnte vor allzu voreiligem Optimismus, die Risiken seien weiterhin enorm hoch. Trichet erwartet deshalb auch lediglich eine "holprige" Rückkehr zur Normalität.

Dennoch sei es notwendig, bereits jetzt einen klaren Plan für eine Rückführung der Krisenmaßnahmen zu entwickeln. "Noch ist nicht die Zeit gekommen, aber ich möchte es ganz klar machen, dass wir eine Ausstiegsstrategie haben und dass wir diese auch umsetzen werden, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist", sagte Trichet. Viele von der EZB ergriffenen Maßnahmen, etwa bei der freigiebigen Versorgung des Bankensystems mit billigem Geld würden weitgehend ohne Zutun der EZB einfach auslaufen, wenn sie nicht verlängert würden.

Unterstützung sollte verlängert werden

Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, warnte in Berlin davor, die Unterstützung für die Wirtschaft seitens Politik und Notenbanken zu früh zu beenden. "Angesichts der hohen und dauerhaften Kosten der Arbeitslosigkeit sollten die Verantwortlichen auf Nummer sichergehen und nicht die Erholung gefährden."

Die EZB hat im Kampf gegen die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten ihren Leitzins auf rekordniedrige 1 Prozent gesenkt und unterstützt das Finanzsystem mit milliardenschweren Liquiditätsspritzen. Damit diese Politik des billigen Geldes keinen massiven Anstieg der Teuerung nach sich zieht, muss die Notenbank die Maßnahmen in den kommenden Monaten und Jahren wieder auf Normalmaß stutzen und auch den Leitzins wieder erhöhen.

Analysten erwarten aber, dass die Notenbank noch bis weit ins kommende Jahr hinein ihre derzeitigen Kurs nicht ändert. Von Reuters befragte Ökonomen rechnen frühestens im dritten Quartal 2010 mit einer ersten Zinserhöhung. Auch andere wichtige Notenbanken wie die Federal Reserve (Fed) in den USA oder die Bank von England dürften noch eine ganze Weile nicht an der Zinsschraube drehen. Sie haben in den vergangenen beiden Jahren deutlich mehr unkonventionelle Schritte unternommen als die EZB.

Weitere Minus-Quartale nicht ausgeschlossen

Für EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark ist das Ende der Rezession noch keine ausgemachte Sache. Er schließe weitere Quartale mit negativen Wachstum in der nächsten Zeit nicht aus, sagte Stark am 4. September am Rande einer Konferenz in Frankfurt. "Wir dürften in den kommenden Quartalen eine Oszillation um die Nulllinie sehen. Ich kann nicht ausschließen, dass es einige Quartale mit leicht positiven, aber auch ein oder zwei Quartale mit leicht negativen Wachstumsraten geben wird." Solche Rückschläge müssten nach der schwersten Rezession seit Jahrzehnten aber ins Kalkül gezogen werden.

Obwohl Zweifel an der Nachhaltigkeit der jüngsten Konjunkturerholung blieben, hoffe die EZB auf eine Rückkehr auf den Wachstumspfad. Hoffnungsvoll stimme beispielsweise die Entwicklung in Asien, wo sich der Handel zu erholen begonnen habe. Dies wirke sich auch auf andere Weltregionen, etwa Europa, aus. "Ja, es ist wahr. Wir sind vorsichtig optimistisch. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir Wachstum früher sehen werden als erwartet, aber das ist unserer Meinung nach hauptsächlich zurückzuführen auf temporäre Maßnahmen." Die Konjunkturpakete der Regierungen und das billige Geld der Notenbanken verzerrten die wahre Situation.

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