Sewing löst Cryan ab

So tickt der neue Deutsche-Bank-Chef

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Bisheriger Boss mit sofortiger Wirkung abgesetzt; Nachfolger fordert "Jägermentalität".

Jetzt ist es offiziell: Eines der wichtigsten Geldinstitute Europas hat einen neuen Chef. Christian Sewing (Bild oben) wird neuer Chef der Deutschen Bank. Das teilte die größte deutsche Bank in Frankfurt nach einem Krisentreffen des Aufsichtsrats mit. Sewing (47) löst den seit Mitte 2015 amtierenden Briten John Cryan mit sofortiger Wirkung ab.

So tickt der neue Deutsche-Bank-Chef
© APA/AFP/DANIEL ROLAND
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Der bisherige Chef John Cryan

Rückhalt verloren

Der 57-Jährige hatte nach einer Gewinnwarnung und einem massiven Absturz des Aktienkurses zuletzt den Rückhalt von Aufsichtsratschef Paul Achleitner und wichtiger Investoren verloren.

Neuer Chef fordert  "Jägermentalität"

Sewing will hart durchgreifen, um das Institut nach drei Verlustjahren zu stabilisieren. Von seinen knapp 100.000 Mitarbeitern erwartet der 47-Jährige eine neue "Jägermentalität", wie er am Montag in einem Brief an die Belegschaft schrieb. Bei dem größten deutschen Geldhaus werde kein Stein auf dem anderen bleiben. Er werde "harte Entscheidungen treffen und umsetzen", erklärte der bisherige Leiter der Privatkundensparte, der seit vorigem Jahr einer von zwei Stellvertretern Cryans war.
 
An der Börse kamen Sewings Worte gut an: Die im Dax gelistete Aktie des Geldhauses legte im frühen Handel um mehr als vier Prozent zu. Analysten äußerten sich dennoch skeptisch: Alleine ein Wechsel an der Spitze der Bank könne die Probleme des Instituts nicht lösen. Zwar spreche die Deutsche Bank von einer "neuen Ära", "doch was wirklich zählt, ist, dass die Bank seit mehreren Jahren keine klar definierte Strategie hat und ebenso wenig die Unterstützung aller Parteien für die Richtung, in die das Institut geht", schrieben etwa die Branchenexperten der US-Investmentbank JP Morgan.
 
Sewing, der seit Lehrlingstagen beinahe sein komplettes Berufsleben bei der Deutschen Bank verbracht hat, gilt als ein Vertreter des klassischen Bankings europäischer Prägung mit geringen Berührungspunkten zum eher angelsächsisch geprägten Investmentgeschäft, in dem das Institut in den Jahren vor der Finanzkrise Erfolge feierte. Allerdings war er auch einige Zeit als Risikomanager und Revisor in London tätig und hat dort auch Investmentbanker kontrolliert, von denen sich einige inzwischen wegen Gesetzesverstößen verantworten müssen.
 
Am Montag sollte in der britischen Hauptstadt ein Prozess gegen mehrere Händler wegen illegaler Absprachen beim Referenzzinssatz Euribor beginnen - auf der Anklagebank sitzt auch der ehemaligen Star-Händler der Deutschen Bank, Christian Bittar, der sich bereits schuldig bekannt hat.
 
Sewing, der neue starke Mann in den Frankfurter Doppeltürmen, steht unter enormem Erwartungsdruck der seit Jahren darbenden Aktionäre der Bank, vonseiten der Politik und der Regulatoren. "Wir wissen, dass wir uns hinsichtlich der Ertrags-, Kosten- und Kapitalstruktur weiter verändern müssen", schrieb er in seinem Mitarbeiterbrief. Kernfrage ist, wie stark das Kapitalmarktgeschäft - einst Ertragsperle der Bank - künftig noch sein wird. Das Institut hat unter dem Projektnamen "Colombo" bereits damit begonnen, diese Aktivitäten im Handel mit Aktien, Anleihen, Devisen und Rohstoffen auf den Prüfstand zu stellen - vor allem in den USA.
 
Sewings wichtigster Mann auf diesem Weg ist der Südafrikaner Garth Ritchie, der im Zuge des Vorstandsumbaus einer seiner beiden neuen Stellvertreter ist und zugleich die Investmentbank künftig alleine leitet. Ritchie ist seit Jahrzehnten bei der Bank und hat als einer der wenigen Händler die Finanzkrise ohne Blessuren überstanden. Der 49-Jährige hatte bisher gemeinsam mit Marcus Schenck das Investmentbanking geleitet, Schenck (52) will die Bank zur Hauptversammlung am 24. Mai verlassen.
 
In einem Brief an die Mitarbeiter, der Reuters vorliegt, äußerte sich Ritchie optimistisch zum Geschäft: "Wir sind gut ins Jahr 2018 gestartet, der Trend ist in vielen Geschäftsfeldern positiv. Hierauf können und müssen wir im zweiten Quartal aufbauen." Zuletzt hatte Finanzchef James von Moltke eher vorsichtige Töne angeschlagen. Die Bank veröffentlicht ihre Bilanz des ersten Quartals am 26. April.
 
Sewing machte klar, dass die gesamte Bank, aber vor allem die Investmentbanker, den Gürtel künftig enger schnallen müssen. Das Führungsteam werde nicht mehr akzeptieren, dass Ziele auf der Kosten- und Ertragsseite verfehlt würden. So sei es "nicht verhandelbar", dass die bereinigten Kosten in diesem Jahr 23 Mrd. Euro nicht übersteigen dürfen. "Rückschläge wie im vierten Quartal 2017 dürfen sich unter keinen Umständen wiederholen." Die Messlatte müsse in allen Geschäftsbereichen höher gelegt werden. "Unser Start in das Jahr war solide, aber 'solide' darf nicht unser Anspruch sein."
 
Die Politik sieht den Führungswechsel bei der Deutschen Bank unterdessen als Chance für das kriselnde Institut. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte Reuters: "Die Berufung von Christian Sewing ist eine Chance, dass die Deutsche Bank zu ihren Wurzeln zurückfindet." Der Wirtschaftsstandort Deutschland brauche eine international gut aufgestellte Großbank.
 
Die Aufseher - im Falle der Deutschen Bank sind das die Europäische Zentralbank (EZB) und die deutsche Finanzaufsicht BaFin - interessiert vor allem, ob mit dem Führungswechsel auch ein Strategiewechsel verbunden sein wird, durch den sich das Geschäftsmodell deutlich verändern würde. Letztlich entscheidend sei die Frage, wie stark sich das Risikoprofil der Bank ändern wird oder was eine mögliche Neuausrichtung für die künftige Profitabilität bedeuten kann, sagte ein Aufseher. Üblicherweise sind die Bankenkontrolleure frühzeitig mit eingebunden, wenn solche Entscheidungen anstehen.
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