"Bild ist düster"

Wifo-Chef warnt vor einem verlorenen Jahrzehnt

Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr hat seine Warnung vor einem verlorenen Jahrzehnt für Österreichs Wirtschaft erneuert.  

Bereits im Frühjahr warnte der Spitzenökonom vor einem derartigen Szenario. Laut der am Dienstag vorgestellten Wifo-Mittelfristprognose wird das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 2030 erst wieder den Wert von 2019 erreichen. "Das Bild ist düster", sagte Felbermayr. Auch IHS-Chef Holger Bonin sieht "keinen Anlass für Entwarnung".

Die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS haben am Dienstag ihre Konjunkturprognose für das laufende Jahr angehoben. Im Juni ging man noch für die heimische Wirtschaft von einem Nullwachstum (Wifo) bzw. "Mini"-Plus (IHS) von 0,1 Prozent aus, nun wird ein Plus von 0,3 bzw. 0,4 Prozent erwartet. Der längste Wirtschaftsabschwung der Zweiten Republik wird damit Geschichte sein. Als Grund für die Prognoseänderung verwiesen Wifo und IHS auf eine veränderte Datengrundlage. Die Statistik Austria revidierte Ende September die heimischen BIP-Daten für 2023, 2024 und das erste Halbjahr 2025 nach oben. Demnach schrumpfte die Wirtschaftsleistung in den beiden Vorjahren nicht wie zunächst erwartet insgesamt um 2 Prozent, sondern um 1,5 Prozent und wuchs im ersten Halbjahr leicht.

Das Liniendiagramm zeigt die Entwicklung des Bundesbudgets in Österreich von 2015 bis 2030 als Prozent der Wirtschaftsleistung. Nach einem Überschuss von 0,5 % im Jahr 2019 fällt das Defizit 2020 auf –8,2 %. In den Folgejahren steigt das Defizit wieder an, bleibt aber ab 2025 laut Prognose durchgehend unter der EU-Grenze von –3,0 %. Für 2030 wird ein Defizit von –3,7 % erwartet. Quelle: Statistik Austria/WIFO.
 

"Wir stehen noch besser da als im Sommer gedacht. Ein echter Aufschwung ist aber nicht in Sicht", kommentierte der Wifo-Chef die aktuelle Konjunkturprognose. Es sei "Zeit für eine breite Reformpartnerschaft" von Unternehmen, Gewerkschaft und Politik. Neben der Inflationsbekämpfung sieht Felbermayr auch großen Handlungsbedarf in der Industriepolitik. Die Industrie habe in den vergangenen Jahren knapp 10 Prozent an realer Wertschöpfung eingebüßt, der industrielle Anteil am BIP sei seit 2019 um 2 Prozentpunkte auf 15 Prozent gesunken.

Die Infografik zeigt die Wirtschaftsprognose für Österreich von 2022 bis 2026 mit Daten zu Wirtschaftswachstum, Inflation, Arbeitslosigkeit, Budgetsaldo und Treibhausgasen. Für 2025 und 2026 erwarten WIFO und IHS ein Wirtschaftswachstum um 1 % und eine Inflation von 3,5 bis 2,4 %. Die Arbeitslosenquote bleibt laut Prognose über 7 %. Das Budgetdefizit liegt weiterhin bei rund 4 % des BIP. Die Treibhausgasemissionen sinken laut WIFO leicht, für IHS gibt es keine Prognose. Quelle: WIFO/IHS.
 

"Kein Anlass für Entwarnung"

Auch IHS-Chef Bonin sieht "keinen Anlass für Entwarnung" für Österreichs Wirtschaft. Das Wachstumstempo sei langsamer als in vielen anderen EU-Ländern. "Der Reformdruck bleibt hoch", sagte Bonin bei dem Pressetermin mit dem Wifo. Man müsse vor allem "das Inflationsproblem in den Griff bekommen. "Dafür müssen diverse Akteure über ihren Schatten springen." Der Spitzenökonom plädierte für "eine Bekämpfung von Mangellagen" im Bereich Wohnen, Energie und Arbeitskräfte. "Solche Ansätze wirken langfristig". Felbermayr und Bonin lobten den aktuellen Metaller-KV-Abschluss unter der Inflationsrate.

Die wirtschaftliche Erholung wird laut Wifo und IHS vom privaten Konsum getragen, der Warenaußenhandel ist im laufenden Jahr aber noch rückläufig. Die konjunkturelle Dynamik dürfte 2025/2026 "deutlich hinter früheren Erholungsphasen" zurückbleiben, erwartet das IHS und verwies auf "die verhaltene internationale Konjunktur und heimische Strukturprobleme". Für 2026 senkten die Ökonomen ihre Wirtschaftswachstumsprognose vom Juni um 0,1 Prozentpunkte auf 1,1 bzw. 0,9 Prozent. Im Jahr 2023 schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Österreich um 0,8 Prozent und 2024 um 0,7 Prozent.

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