Wurden BIG-Wohnungen um 40 Mio. zu billig verkauft?

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Der Verkauf von 3.900 Wohnungen der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) im Jahr 2003 soll laut einem dem Magazin "Format" vorliegenden Gutachten viel zu billig erfolgt sein. Im BIG-Paket enthalten war unter anderem die 72.000 Quadratmeter große Wohnanlage Arsenal in Wien-Landstraße, dessen Wert nun Angelpunkt ist.

Das Arsenal soll beim Verkauf vor 6 Jahren mehr als 74 Mio. Euro wert gewesen sein, die Republik verlangte aber nur 32 Mio. Euro, berichtet das Magazin am Donnerstag im Voraus. Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser soll sich also allein beim Arsenal mehr als 40 Mio. Euro Verkaufserlös für die Staatskasse durch die Lappen gehen haben lassen.

Der Hintergrund: Im Dezember 2003 erhielt ein Konsortium rund um den Badener Rechtsanwalt und Investor Rudolf Fries und den Fruchtsafthersteller Walter Scherb um 145,05 Mio. Euro den Zuschlag für ein Wohnungspaket des Bundes. Der Verkaufserlös floss in Form einer Sonderdividende ans Finanzministerium.

Für die Bewertung der Wohnanlage Arsenal engagierte BIG-Boss Christoph Stadlhuber damals gemeinsam mit seinem damaligen Kollegen Hartwig Chromy den Wiener Immobiliensachverständigen Michael Reinberg. Der errechnete den Angaben zufolge einen Wert von 43,9 Mio. Euro.
Abzüglich der von Fries wenige Monate nach Zuschlagserteilung weiterverkauften Arsenal-Objekte 12 und 15 ergaben sich rund 32 Mio. Euro. "Dieser Wert ist völlig unrealistisch", schreibt der Gerichtssachverständige Heinrich Oberressl laut "Format" in einem "Schätzungsgutachten vom 31. August 2009", das er im Auftrag von Staatsanwalt Norbert Haslhofer in der Immofinanz-Affäre erstellte.

Für Oberressl ist das Arsenal den Angaben zufolge heute mehr als 74 Mio. Euro wert und wurde von Reinberg "weit unter dem tatsächlichen Wert" taxiert. In dem Gutachten heißt es: "Die Frage, wie die bewerteten Liegenschaften in nicht einmal zwei Jahren ihren Wert von 32 Mio. Euro auf 74 Mio. Euro erhöht haben können, ist so zu beantworten, dass der Wert von 32 Mio. Euro unter der Hälfte des tatsächlichen Wertes gelegen ist." Für die BIG ist diese Sicht überraschend: "Die Bewertung erfolgte auf Basis gängiger Methoden. Und das Arsenal im damaligen Zustand kann nur sehr schwer als Perle bezeichnet werden", zitiert das Magazin Stadlhuber.

Die Umstände rund um den damaligen Bieterprozess sind laut "Format" dem Buwog-Skandal nicht unähnlich - auch beim BIG-Deal hielt die Spannung bis zum Schluss. Am Ende trennte das siegreiche Fries-Konsortium DRF vom Zweitplatzierten Tiroler Investor Rene Benko mit dem US-Fonds Cerberus nur wenige Millionen. Benko zum "Format": "Der Abstand war tatsächlich nicht riesengroß."

Aufklärungsbedürftig ist laut "Format" die Rolle des Wiener Immobilienmaklers Ernst Karl Plech. Dem Bericht zufolge soll er als BIG-Vizepräsident mehrere Versuche gestartet haben, den Verkauf zu beeinflussen. Besonders eingesetzt soll er sich für die holländische Van-Herk-Gruppe haben, die neben der Immofinanz AG, dem Fries-Konsortium DRF und dem Tiroler Investor Benko in der letzten Runde der Bieterschlacht übrig blieb.
Für den niederländischen Fonds soll wiederum der Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger lobbyiert haben. Meischberger soll beim Verkauf der BIG-Wohnungen aber nichts verdient haben, weil die Van-Herk-Gruppe nicht zum Zug kam.

Experte: Arsenal wurde mit 43,9 Mio. richtig bewertet

Die erhobenen Vorwürfe werden von der BIG und Michael Reinberg, einem der damalige Sachverständigen, zurückgewiesen. Das Arsenal sei mit 43,9 Mio. Euro "richtig bewertet" worden. 2003 habe es keine genehmigten Zufahrtswege gegeben, und im Paket seien "viele denkmalgeschützte Objekte mit erhöhten Instandhaltungsaufwendungen und sogar ertragslose Sonderimmobilien wie eine Kirche" enthalten gewesen, so Reinberg.

Bei den Wohnungen sei "ein unterdurchschnittlicher Erhaltungszustand" festgestellt worden. Die Gutachten hätten aber potenzielle Dachbodenausbauten berücksichtigt - "sofern technisch möglich, wirtschaftlich sinnvoll und rechtlich zulässig". Die ermittelten Bodenwerte resultieren laut Reinberg aus der damals aktuellen Flächenwidmung und den Bebauungsbestimmungen. Ein Großteil der Liegenschaft sei 2003 als Parkschutzgebiet gewidmet gewesen.

Der Vorwurf, dass der Preis zu niedrig angesetzt wurde, wird von Reinberg zurückgewesen: Zwischen den Gutachten seien 6 Jahre vergangen und die Rahmenbedingungen seien "nicht vergleichbar". Der Zentralbahnhof, der sich in unmittelbarer Nähe befindet, sei mittlerweile in Bau und auch die Höhe der zwischen 2003 und 2009 getätigten Investitionen sei unbekannt. Ebenfalls unbekannt sei die aktuelle Ertragssituation der Häuser. Der von Oberressl ermittelte Verkehrswert ist für Reinberg "nicht nachvollziehbar". Die Behauptung, das Arsenal wäre falsch bewertet worden, entbehre jeder Grundlage. Reinberg kündigte an, gegen Oberressl rechtliche Schritte einzuleiten.

Die BIG sieht die Sache ähnlich: Der "Format"-Artikel sei "ohne Grundlage". Die Bewertung sei auf "Basis gängiger Methoden" erstellt worden. Die BIG wehrt sich auch gegen die Behauptung, dass die Umstände des Verkaufs an das Konsortium DRF rund um Investor Rudolf Fries jenen des Buwog-Skandals ähnlich gewesen seien.

Mit dem von Oberressl ermittelten Arsenal-Schätzwert lösen sich im übrigen auch Untreue-Verdachtsmomente der Staatsanwaltschaft gegen die Constantia Privatbank auf - Stichwort "Strafsache Petrikovics". Ursprünglich hatte die Anklagebehörde nämlich vermutet, die Bank könnte dem Badener Anwalt Rudolf Fries das Areal zu teuer abgekauft haben, das dieser mit einem Konsortium 2003 dem Bund abgekauft hatte. Aus diesem Grund hatte die Staatsanwaltschaft eigentlich das Gutachten beim Gerichtssachverständigen in Auftrag gegeben.

Die Oberressl-Expertise von August 2009 knöpft sich auch andere Arsenal-Bewertungen vor. So kam etwa im Oktober 2008 der Sachverständige Peter Steppan im Auftrag der Immoaustria auf einen Schätzwert von 72,6 Mio. Euro. Immo-Experte Alfons Metzger kam einen Monat später, im November 2008, in einem Gutachten für die Constantia auf nur 58,5 Mio. Euro, doch meint Oberressl, im Metzger-Gutachten sei "die Ertragswertermittlung grob unrichtig" erfolgt.
Im März 2009 ermittelte der Immobilientreuhänder Thomas Keppert einen Wert von 82 Mio. Euro; Auftraggeber: die Petrikovics-Firma STF Immobilienhandels GmbH; dem Keppert-Gutachten bescheinigt Oberressl, es sei "vollständig und in allen Punkten begründet und schlüssig".

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