Mit der neuen AutoCart-Methode können große Knorpeldefekte mit körpereigenem Gewebe in nur einer Operation behandelt werden. Knie-Experte Prim. Doz. Dr. Thomas Müllner klärt über die neue OP-Technik auf.
Starke, schmerzhafte Knorpelschäden im Knie können zweierlei Natur sein: entweder die klassische, altersbedingte Abnützung des gesamten Knorpels oder die örtlich begrenzte Knorpelzerstörung als Folge jahrelanger Fehlbelastung oder eines Unfalls. Während im ersteren Fall in letzter Konsequenz ein Kunstgelenk anzudenken ist, versucht man lokale Knorpelschäden seit Jahren mittels Zelltransplantation operativ zu behandeln. Dies erfordert üblicherweise zwei Eingriffe im Abstand von sechs bis acht Wochen: Der erste zur Knorpelgewinnung, der zweite nach der Knorpelzüchtung zur Knorpeltransplantation. Der technische und zeitliche Aufwand ist dabei hoch, was sich letztlich auch in den Kosten widerspiegelt. Eine besonders patientenfreundliche Innovation liegt jetzt mit der Entwicklung der AutoCart-Methode (All Autologous Cartilage Regeneration) vor. Sie wird in Österreich bereits an einigen spezialisierten Orthopädie-Zentren angeboten.
Vorteile der AutoCart-Technik
Bei AutoCart handelt es sich um eine minimal-invasive Knorpeltransplantation, bei der ausschließlich körpereigene, also biologische Substanzen verwendet werden. Der große Vorteil: "Zellentnahme, Aufbereitung des neuen Knorpelmaterials und Transplantation erfolgen im Rahmen eines einzigen, arthroskopisch durchgeführten Eingriffs. Der/die Patient:in muss also nur einmal ins Krankenhaus kommen", erklärt Prim. Doz. Dr. Thomas Müllner, Orthopädievorstand am Wiener Evangelischen Krankenhaus. Der Schlüsselloch-Eingriff dauert rund 20-30 Minuten und eignet sich selbst für größere, lokalisierte Knorpelschäden, speziell im Knie-und Sprunggelenk.
So funktioniert's
Der Arzt glättet die Oberfläche des örtlichen Knorpeldefekts und entnimmt mit einem speziellen Collektor feine Knorpelfragmente aus den Randbereichen des Knorpelschadens bzw. aus einem Bereich, wo die Entnahme nicht schadet. Dieses körpereigene Gewebe wird sofort mit plättchenreichem Plasma, das zuvor aus einer kleinen, entnommenen Blutmenge des Patienten zentrifugiert wurde, zu einem ganz feinkörnigen Granulat vermischt. Dadurch reichert sich diese körpereigene Mixtur mit einer hohen Zahl an Wachstumsfaktoren an, die für eine erfolgreiche Gewebeneubildung notwendig sind.
Körpereigene Substanzen
Mit dieser feingeriebenen Mischung wird nun das Loch im Knorpel "gekittet" und mit einer Thrombinlösung, die ebenfalls aus der zuvor entnommenen Blutprobe extrahiert wurde, bedeckt. Thrombin ist das wichtigste Enzym zur plasmatischen Blutgerinnung und daher für diesen Zweck ideal, da es den Bereich der Knorpelauffüllung praktisch versiegelt und haltbar macht. Prim. Thomas Müllner: "Somit kommt diese Technik der Knorpelsanierung ausschließlich mit körpereigenen Substanzen aus und ist daher hoch verträglich."
Regeneration und Heilung
Der Spitalsaufenthalt nach der Operation beträgt zwei bis drei Tage. Das liegt daran, dass das Gelenk für 24 Stunden komplett ruhig gestellt werden muss, damit sich die Knorpelpaste gut an der Transplantationsstelle anhaften kann. Erst dann wird mit der Bewegungsschiene begonnen. Bei der Entlassung dürfen die Patient:innen mit einer Teilbelastung von 15 kg auf Krücken gehen. Es folgt Physiotherapie für die Dauer von sechs bis zwölf Wochen. Danach sind sukzessive wieder größere Belastungen wie etwa Laufsport möglich.
Pioniersarbeit in Österreich
In Österreich wird die AutoCart-Technik bereits an einigen Zentren angewandt (Aufmesser-Klinik Pongau, Sportmed Salzburg, Privatklinik Döbling, Evangelisches Krankenhaus). Insgesamt etwa 250 AutoCart-Eingriffe wurden hier in den letzten 1,5 Jahren durchgeführt. Dr. Müllner selbst hat etwa 20 solcher OPs hinter sich.
Bisherige Ergebnisse
"Die seit über zwei Jahren laufenden Studien in einigen europäischen Ländern sind bis jetzt äußerst vielversprechend und die Patientenzufriedenheit besonders hoch. Das bestätigen auch unsere persönlichen Erfahrungen", berichtet Orthopädiespezialist Dr. Müllner. Komplikationen wie eine Infektion gab es bei Dr. Müllners Eingriffen keine. Bei lediglich einem Patienten hat sich die Knorpelpaste nicht im Defekt gehalten beziehungsweise hat sie sich nicht weiterentwickelt. Das war auf einem Kontroll-MRT sechs Monate nach der OP zu erkennen. Evidenz über die langfristige Wirksamkeit wird in 2 bis 3 Jahren vorliegen.
Hardfacts zur OP:
Wo?
In Österreich wenden die Aufmesser-Klinik im Pongau, Sportmed Salzburg, das Knorpelzentrum Wien an der Privatklinik Döbling und die Abteilung für Orthopädie und Traumatologie am Evangelischen Krankenhaus die Autocart-Technik bereits an.
Dauer der Behandlung
Die Operation dauert etwa 20-30 Minuten. Vor dem Eingriff ist es wichtig, nichts zu essen, da dies die Anästhesie negativ beeinflussen könnte. Nach dem Desinfizieren der Kleidung und dem Umbetten auf einen OP-Tisch wird die Anästhesie eingeleitet.
Anästhesie
Die Operation erfolgt in Allgemeinanästhesie oder Regionalanästhesie -je nach Wunsch und körperlichen Einschränkungen des/der Patient:in.
Anzahl der Eingriffe
Der große Vorteil der AutoCart-Technik im Gegensatz zur bisher angewandten Zelltransplantation: Nun ist statt zwei Operationen im Abstand von sechs bis acht Wochen nur noch eine notwendig.
Aufenthalt im Spital
Nach der Operation bleiben die Patient:innen etwa zwei bis drei Tage im Spital. Das Gelenk wird für 24 Stunden ruhiggestellt, damit sich die Knorpelpaste gut an der Transplantationsstelle anhaften kann. Nach 24 Stunden wird mit der Bewegungsschiene begonnen. Daher ist der/die Patient:in zumindest 30 Stunden im Spital.
Nachbehandlung
Nach den Tagen im Spital wird man auf Krücken mit einer Teilbelastung von 15 kg entlassen. Es folgen sechs bis zwölf Wochen Physiotherapie, bevor man langsam wieder mit Sport und höheren Belastungen starten kann.
Sogar irreparabel geglaubter Schaden wurde geheilt. Erfahrungsbericht
Prim. Doz. Dr. Thomas Müllner ist Orthopädievorstand am Wiener Evangelischen Krankenhaus. Als Spezialist für arthroskopische Chirurgie und minimal-invasive Endoprothetik klärt er auf diesen Seiten über die neue AutoCart-Technik bei Knorpelschäden auf ekhwien.at. Dr. Müllner erzählt: "Vergangenen Sommer kam eine 27-jährige Patientin zu mir. Sie hatte sich mehrere Patellaluxationen zugezogen. Das ist eine Kniegelenksverletzung, bei der die Kniescheibe aus ihrer Führung springt. Dabei hat sich ein großes Knorpelstück von der Kniescheibe abgesprengt. Normalerweise ist so ein Schaden irreparabel und der Knorpel, der für das reibungslose Funktionieren eines Gelenks wichtig ist, wächst nicht nach. Dank der AutoCart-Technik konnte das fehlende Knorpelstück aber rasch ersetzt werden. Die Patientin ist nun, 6 Monate später, bereits in der Lage, Sport wie Schwimmen, Laufen, Gymnastik oder Yoga zu machen. Auf den Kontroll-MRTs zeigte sich, dass das eingesetzte Gewebe mittlerweile optimal eingewachsen ist und sich der Defekt wieder mit Knorpel aufgefüllt hat."
Der Arzt fasst die OP zusammen: "Zuerst starteten wir mit der Entfernung des frei herumschwimmenden Knorpelstücks. Dann wurde der Knorpeldefekt mit dem Shaver geglättet. Es folgte die Entnahme des Knorpelmaterials an einer Stelle, die nicht belastet wird. Wir haben den Knorpel auf 4x5 mm entfernt und gesammelt. Während der Aufbereitung der Knorpelpaste passierte die Stabilisierungs-OP der Kniescheibe. Dafür wurde eine Sehne über einen 3-cm-Schnitt entnommen. Zwei Bohrlöcher an der Kniescheibe wurden vorbereitet. Bevor wir die Sehne darin fixierten, wurde die Knorpelpaste auf den getrockneten Defekt an der Kniescheibe aufgetragen, geglättet und versiegelt. Die Kniescheibe wurde dann in die korrekte Postion gebracht, nicht mehr bewegt und die Sehnenschlaufe am Oberschenkel fixiert."
AutoCart: Schritt für Schritt erklärt:
1. Ausgangslage Knorpelschaden: In einem ersten Schritt wird die unebene Oberfläche des Lochs mit einem feinen Shaver geglättet.
2. Knorpelmaterial entnehmen: Anschließend wird aus einem benachbarten, gesunden Bereich ein wenig Knorpelmasse entnommen.
3. Anfertigung der Knorpelpaste: Dieses Knorpelmaterial wird dann im "Collector" zusammen mit zuvor entnommenem Blutplasma zu einer Knorpelpaste vermischt.
4. Knorpelpaste wird aufgetragen: In einem letzten Schritt wird mit der fertigen Paste das Loch im Knorpel "gekittet" und mit Thrombin (Enzym der Blutgerinnung) versiegelt.