Die Schauspielerin hält es für fraglich, ob politische Korrektheit immer sinnvoll ist und ob sich seit der großen Metoo-Debatte der letzten Jahre wirklich für alle was geändert hat.
Die in Wien geborene Schauspielerin Senta Berger (82) ist nicht nur für ihr unglaubliches Talent, sondern auch für ihre offenen Worte bekannt. Sie berichtete bereits 2006 in ihrer Autobiografie "Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann" über sexuelle Übergriffe am Filmset. Eine Breitenwirkung der etwa zehn Jahre später angestoßenen "MeToo"-Debatte sieht die 82-Jährige allerdings nicht.
"Die Öffentlichkeit hat nur über unsere öffentliche Branche gesprochen. Aber was passiert im Büro? Wehrt sich ein Zimmermädchen, wenn der Chef handgreiflich wird? Ich fürchte nein. Dabei hat sich viel bewegt – nur nicht so viel, wie wir gedacht haben. Es hätte eine tief greifende Diskussion sein können. Aber die war’s nur zum Teil", sagt sie in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ).
Die Diskussion über sexuelle Übergriffe sei zum Teil "stark in den Voyeurismus, in die Boulevardisierung der Situationen, die Frauen geschildert haben", gegangen, findet die Schauspielerin. "Es gab eine Art von öffentlicher Geilheit, die der Sache nicht gutgetan hat", kritisiert sie.
Senta Berger: Kritik am Gendern
Einen Verhaltenskodex der Filmakademie sieht sie ebenfalls kritisch: "Ich glaube, wir brauchen keinen Kodex, um zu wissen, was Anstand bedeutet." Senta Berger weiter: "Ich habe den Eindruck - er mag falsch sein und meinem Alter entsprechen -, dass in der Filmakademie 'gegendert' wird, weil man das jetzt eben so macht. Ob es inhaltlich richtig ist, wage ich zu bezweifeln."
Die Schauspielerin ärgert sich auch über die gesellschaftliche Korrektheit: "Wir verleugnen uns", sagt sie dazu. Man übernehme eine "Korrektheit, die aus Teilen der amerikanischen Gesellschaft kommt". "Man sieht heute den vollkommen unbedachten, alltäglichen Rassismus und Sexismus der Vergangenheit und möchte es wiedergutmachen - indem man alles besonders korrekt macht", so Bergers Einschätzung.