Kritik

Reichenau: Wie in alten Zeiten

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Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ aufgeführt.

Wie im tiefen 19. Jahrhundert wähnt man sich in Michael Gampes belangloser Nicht-Inszenierung von Ferdinand Raimunds Zaubermärchen Der Alpenkönig und der Menschenfeind bei den Festspielen Reichenau. Keine Spur einer aktuellen Auseinandersetzung mit dem Meisterwerk des Wiener Biedermeier-Poeten, in dem der Menschenfeind Rappelkopf vom Alpenkönig psychotherapeutisch von seinen Neurosen geheilt wird, ist da zu erahnen.

Zufriedenheit
Bei der Uraufführung 1828 im Wiener Leopoldstädter Theater spielte Raimund selbst den Rappelkopf. Wie sein depressiver Titelheld war er menschenscheu und hypochondrisch. 46-jährig schoss er sich eine Kugel in den Kopf; sein Ideal, die kleinbürgerliche Zufriedenheit, hat er nie erreicht.

Aufbrausend. Auf Peter Loidolts öder Bühne ist August Schmölzer ein aufbrausender Rappelkopf; Sascha Oskar Weis als fader Geisterchef bemüht sich um Raimunds Verse. Nicolaus Hagg ist der mit einem Küchenmesser zum Zichorienausstechen bewaffnete Bedienstete Habakuk, der dauernd sagt, dass er „zwei Jahre in Paris“ war. Charmant ist Johanna Arrouas als freche Kammerjungfer Lischen.

Nichts eingefallen ist dem Regisseur auch zur berühmten Szene im Wald, in der Rappelkopf dem Köhler Glühwurm die armselige Hütte abkauft. Die Familie zieht mit dem sentimentalen Lied So leb denn wohl, du stilles Haus von dannen; die Kritiker der Uraufführung empfanden die Elendshymne als „unverschämte Geschmacklosigkeit“.

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