So geht's weiter

"True Detective" geht in zweite Runde

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Staffel 2 mit neuen Schauspielern, neuem Setting und neuem Mord.

Es kommt nicht von ungefähr, dass Nic Pizzolatto die zweite Staffel seiner als Anthologie angelegten Krimiserie "True Detective" sein "zweites Album" nennt. Zu hoch sind die Erwartungen an jenes Material, das auf einen unwiederbringlichen Hit folgt. Wenig überraschend also, dass die acht neuen Folgen, die ab Sonntagnacht parallel zum US-Start auf Sky online abrufbar sind, im Vergleich enttäuschen.

Von Kritikern und Publikum gleichermaßen verehrt und mit 24 Preisen, darunter fünf Emmys, überhäuft, schlug die HBO-Serie "True Detective" im Vorjahr ein wie eine Bombe. Visuell neue Maßstäbe setzend und sich über einen Zeitraum von 17 Jahren spannend, lebten die acht im sumpfigen Louisiana gespielten Episoden vor allem vom Zusammenspiel von Matthew McConaughey und Woody Harrelson, die als gegensätzliches Ermittlerduo eine sadistische Mordserie aufklären. Während die Handlung zunehmend zur Nebensache wurde, kristallisierte sich die wirr philosophierende Figur des von McConaughey kongenial verkörperten Rust Cohle als einer der nachhaltig prägendsten Charaktere der Fernsehgeschichte heraus.

Kein zweiter "Cohle"
Gleich vorweg: Eine Figur vom Kaliber des Rust Cohle fehlt in Staffel Zwei, die Pizzolatto konsequent mit neuem Setting, neuen Figuren und neuer Handlung ausstattet. Der grausame Mord an dem korrupten Stadtpolitiker Ben Caspar führt die drei aus unterschiedlichen Regionen Kaliforniens entsandten Ermittler Ray Velcoro (Colin Farrell), Ani Bezzerides (Rachel McAdams) und Paul Woodrugh (Taylor Kitsch) sowie den einstigen Gangster Frank Semyon (Vince Vaughn) zusammen. Letzterer will sich mit Grundstückskäufen entlang einer geplanten Schnellfahrstrecke als Geschäftsmann profilieren - doch mit Caspar ist nun genau der große Fisch tot, der das hätte deichseln sollen. Kein Wunder also, dass Frank an eine Verschwörung glaubt und in punkto Mordaufklärung deutlich mehr Dynamik an den Tag legt als die Polizisten.

Tatsächlich wird ein Großteil der ersten drei, Journalisten vorab zur Verfügung gestellten Folgen dafür aufgewandt, vor Augen zu führen, wie kaputt alle Involvierten sind. Ray befindet sich seit der Vergewaltigung von seiner nunmehrigen Ex-Frau, die wohl den gemeinsamen Sohn hervorgebracht hat, in einer Abwärtsspirale: Seitdem ihm Frank damals scheinbar zur Selbstjustiz verholfen hat, steht Ray in dessen Schuld, fristet ein Dasein als korrumpierter Cop im mafiös organisierten, nahe Los Angeles gelegenen Vinci, trinkt, kokst und prügelt sich durchs Leben und sagt mit steinerner Miene Dinge wie: "Eine Tracht Prügel evoziert bei manchem persönliche Reife."

Nicht weniger verbittert ist seine Neo-Kollegin Ani, gebrandmarkt durch die scheinbar sektenähnliche Kindheit unter ihrem Hippie-Vater; stets von Kopf bis Fuß bewaffnet, ist der einzige Unterschied zwischen den Geschlechtern ihrer Sicht nach doch der, "dass nur das eine das andere mit bloßen Händen töten kann". Abgesehen davon, dass ihr erster Auftritt darauf beschränkt ist, dass sie Beziehungen verabscheut und auf abenteuerlichen Sex steht, ist McAdams' Ani doch eine zutiefst notwendige, weibliche Präsenz in Pizzolattos von bösen Männern dominierter Welt.

Als einziger ohne (bisher ersichtlichen) Vaterkomplex präsentiert sich der vernarbte, traumatisierte Irakkriegsveteran und Autobahnpolizist Paul, der seinen Schmerz im Geschwindigkeitsrausch auf dem Motorrad überdüngt. Das in zahlreichen Aufnahmen aus der Vogelperspektive aufgenommene Autobahnnetz von Los Angeles wird in gewohnter "True Detective"-Manier ebenso wie die scheinbar ausschließlich aus umweltverschmutzenden Fabriken bestehende Gemeinde Vinci zu einem eigenen Protagonisten, unterlegt von einem pulsierenden, percussion-lastigen Klangteppich. Beides hält für undurchsichtige Verstrickungen, für von Korruption durchzogene Polizei und Politik her - und für die stets weißen, mächtigen Männer als Wurzel alles Bösen.

Stereotype Charaktere
Was in Staffel Eins durch das Spiel von McConaughey und Harrelson überlagert wurde, wird nun augenscheinlich: Auch wenn alle Darsteller solide agieren, wirken die von bösen Vätern und frühen Traumata fehlgeleiteten verlorenen Seelen allzu stereotyp. Der Humor, der in Staffel Eins immer wieder aufblitzte, ist leider ganz verschwunden; die schrägen, philosophischen Ausführungen eines Rust Cohle sind zusammenhangslosen, teils platten Stehsätzen gewichen. Mehr erzwungen denn emotional mutet die Anfangssequenz der zweiten Folge an, in der Frank seiner Frau Jordan (Kelly Reilly) mit starrem Blick die Keller-Methoden seines Alkoholiker-Vaters schildert, die ihn selbst zu Grausamkeit verleiteten.

Mit Regisseur Cary Fukunaga, dem u.a. "Fast and the Furious"-Regisseur Justin Lin nachfolgt, ist der Serie der unverkennbare Stil abhandengekommen: Zu stilisiert wirken die beinahe ungeduldigen Aufnahmen von Fabrikslandschaften und Autobahngewirr im Noir-Setting. Freude bereiten hingegen die Western-Anleihen bei traditionellen Treffen von Ray und Frank in einer schummrigen Bar, wenn Vaughn und Farrell im Gegenschuss so wirken, als würden sie sich nicht am Tisch gegenüber sitzen, sondern bald in einen Schusswechsel eingehen. Und das Obskure zieht dann auch irgendwann ein, mit einem Elvis-Imitator und einer Rabenmaske, etwa.

Vergebens ist nach drei Episoden also freilich nichts, kann Staffel Zwei doch da dazugewinnen, wo es bei Staffel Eins hakte: bei der Handlung. Die Andeutung einer höheren, über Frank & Co stehenden Macht und die scheinbare Verbindung zu einem Internet-Porno-Ring lassen auf vielversprechende Entwicklungen hoffen. Zugänglicher wirkt die nicht minder hochkarätig besetzte Staffel dank weniger wirrer Zeitsprünge auch. "Wir bekommen die Welt, die wir verdienen", steht als Mantra über allem. Und nach drei Folgen will man aus dieser Welt zumindest noch nicht fliehen.

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