Mit „Fiore“ präsentiert Natascha Kampusch (29) ihre erste eigene Schmuck-Kollektion. Im Interview erzählt sie, wie sie von der Überlebenskünstlerin zur Künstlerin wurde.
"Wollt ihr mal die Schmuckstücke sehen?“ Stolz breitet Natascha Kampusch im Wiener Palmenhaus Kette, Ringe und Ohrringe aus. Mit ihrer ersten eigenen Schmucklinie „Fiore“ (www.kampusch.com), hat sich die 29-Jährige einen kleinen Traum erfüllt. Weitere Kollektionen sollen folgen, vielleicht sogar eine eigene Modelinie. Die Pläne sprudeln nur so aus ihr heraus.
Starke Frau. Bestens gelaunt erzählt die Neo-Designerin anschließend im großen MADONNA-Interview, was sie zum Schmuckdesignen motiviert hat, wie sie es geschafft hat, trotz ihrer schweren Vergangenheit glücklich zu werden, und warum sie sich von Kritikern heute nicht mehr die Laune vermiesen lässt.
Wie ist die Idee zu Ihrer ersten eigenen Schmuckkollektion entstanden?
Natascha Kampusch: Ich war schon als Kind modeaffin, war das bestgekleidete Mädchen im Kindergarten. Auch Schmuck habe ich immer gemocht. In meiner Gefangenschaft habe ich ihn selbst gebastelt, aus Alufolie oder Plastikteilen. Oder ich habe Schmuckstücke aus Zeitschriften beklebt, lackiert und eine Kette dazu gebastelt.
Und der Name, „Fiore“?
Kampusch: Die Kollektion sollte einen gewissen Mailänder Touch bekommen. Mailand verbinde ich mit Mode, aber auch mit gutem Geschmack, mit der Betonung des Selbstbewussten, Emanzipierten, Weiblichen. Schmuck ist etwas, das die Weiblichkeit unterstreicht. Die Blume, deren Stängel einen Knick hat, symbolisiert meine Geschichte: Dass es zwar einen Cut in meinem Leben gab, aber dann der Aufschwung kam, dass die Blume zu blühen begonnen hat. Das „N“ steht für meinen Namen.
Was bedeutet für Sie persönlich Weiblichkeit, Schönheit?
Kampusch: Für mich steht Aussehen in Balance mit Wohlbefinden. Mir ist es wichtig, feminin zu sein. Ich möchte keinen raspelkurzen Haarschnitt haben, könnte mich nicht burschikos kleiden. Ich möchte aber keinesfalls als Lolita wahrgenommen werden. Viele Männer haben dieses Bild im Kopf, vielleicht von früher. Weiblichkeit muss in Einklang mit natürlicher Schönheit sein, nicht ordinär, aufgesetzt wirken. Ich halte auch nichts davon, einem Ideal nachzueifern. Wenn ich abnehme, dann für meine Gesundheit, nicht um jemandem zu gefallen. Das musste ich erst lernen.
Werden Sie oft von Männern angesprochen?
Kampusch: Manchmal. In London hat mich ein junger Mann im Hotel angesprochen, der sehr gut aussah. Ich glaube, er war letztlich aber zu schüchtern. Manche wissen auch nicht, wie sie mit mir umgehen sollen. Und ich weiß nicht, ob es ihnen um meine Bekanntheit geht oder um mich.
Am 23. August jährt sich der Tag Ihrer Flucht zum elften Mal. Führen Sie heute das Leben, das Sie sich früher erträumt haben?
Kampusch: Ich will mir noch mehr Wissen aneignen. Psychologie interessiert mich. Oder Soziologie. Eine meiner Nichten möchte das jetzt studieren. Sonst bin ich schon ziemlich glücklich. Ich bin selbstbewusster geworden, kann mich freier bewegen. Früher haben mich die Leute ständig angestarrt, das ist seltener geworden. Mir ist mittlerweile auch egal, was sie denken. Ich war einfach zu lieb. Aber die Leute sind viel ruppiger, als man denken möchte.
Einige werfen Ihnen ja, egal was Sie tun, immer noch ständig vor ...
Kampusch: ... dass ich nur Geld machen will. Ich weiß. Ich frage mich aber, warum diese Leute dann selbst arbeiten gehen.
Bereuen Sie manchmal, dass Sie sich für ein Leben in der Öffentlichkeit entschieden haben – oder würde Ihnen inzwischen etwas fehlen, wenn Sie keiner mehr erkennt?
Kampusch: Ich habe mich daran gewöhnt. Ich hätte wahrscheinlich auch unter anderen Umständen einen öffentlichen Beruf ergriffen. Zumal meine Eltern schon früh darauf gepocht haben, dass ich die Karriere einer Schauspielerin einschlagen soll.
Würde Sie das selbst auch interessieren?
Kampusch: Mehr reizen würde mich, Regie zu führen. Erst mal möchte ich aber meine Schmuckkollektion ausbauen, vielleicht mit meiner Mutter zusammen Mode entwerfen. Sie war ja auf der Modeschule.
Wollen Sie Ihren Namen auch weiter nutzen, um anderen zu helfen?
Kampusch: Unbedingt. Ich will helfen, wo es geht, unterstützen, zum Nachdenken anregen. Ich arbeite an einem Hilfsprojekt in Österreich. Momentan begleite ich auch Kinderreitkurse, weil ich selbst sehr gerne reite. Ich betreue die Kinder mittags und zwischendurch. Es gab auch schon Fragen, ob die Politik etwas für mich wäre. Aber das würde mich nur zermürben.
Natascha Kampusch im Interview mit Astrid Hofer
Wovon träumen Sie privat?
Kampusch: Ich reise gerne, möchte noch mehr von Österreich sehen. Auch Südtirol reizt mich. Durch „Fiore“ gibt es ja diesen Italien-Bezug. Und ein Haus wäre schön, irgendwo in der Nähe von Wien.
Und dann Mann, Kind und Hund dazu?
Kampusch: Das wäre schon toll. Ich weiß nur noch nicht, ob ich dann den Mann oder den Hund weglassen würde.
Sie haben mit 29 viel mehr erlebt, als viele in ihrem ganzen Leben. Fühlen Sie sich manchmal älter, als Sie eigentlich sind?
Kampusch: Schon. Man hat das Gefühl, dass man 100 ist. Allerdings hat man mich schon als Kind als altklug bezeichnet. Früher habe ich den Tipp bekommen, mich mit Gleichaltrigen zu treffen. Aber das hat nie gepasst. Heute sind meine Freunde Anfang 20, aber auch bis zu 30 Jahre älter. Manchmal sind mir reifere Leute lieber als welche in meinem Alter, die den Absprung ins Erwachsenensein nicht geschafft haben.