Fünf Missbrauchs-Opfer haben beim gestrigen Bußgottesdienst von Kardinal Christoph Schönborn klare Worte an die Kirche gerichtet.
"Meine Wut auf die Kinderschänder ist unbeschreiblich. Dazu kommt die Empörung über die Vertuschungsaktionen der Kirchenoberen. Ich bin fassungslos angesichts dieser Verbrechen.“ Diese Worte, die ein 60-jähriges Tiroler Missbrauchs-Opfer beim Klage- und Bußgottesdienst Mittwochabend im Wiener Stephansdom fand, stehen stellvertretend für die Wut der Betroffenen auf die katholische Kirche.
Schönborn: „Platz für Ohnmacht, Enttäuschung“
Erstmals
seit dem Bekanntwerden der ersten Missbrauchsfälle im Februar hat die Kirche
am Mittwoch einen Gottesdienst explizit für die Opfer veranstaltet.
Dompfarrer Toni Faber und Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn haben
diese Initiative ergriffen. „Das ist eine einmalige Gelegenheit für Opfer,
Wut und Empörung auszudrücken. Es geht darum, Klartext zu sprechen“, so
Faber. Die Wut auf die katholische Kirche ist groß: Täglich kommen neue
Missbrauchsfälle ans Licht und treten Menschen aus der Kirche aus. Offiziell
berichten die Ombudsstellen von 566 Opfern – die Dunkelziffer dürfte
freilich viel höher liegen. Experten gehen sogar von mehreren Tausend Opfern
aus.
Als Leitmotiv diente
„Ich bin wütend, Gott!“
Kardinal
Schönborn selbst hat den Bußgottesdienst geleitet – das Motto „Ich bin
wütend, Gott!“ diente als Leitmotiv.
Das Interesse von Opfern, Angehörigen, der Bevölkerung und Medienvertretern war enorm. Der Stephansdom war sehr gut gefüllt – unter den Anwesenden fand sich viel Prominenz ein. Auch Waltraud Klasnic, die neue Opferschutz-Beauftragte der katholischen Kirche für Missbrauchs-Opfer, fand den Weg in den Dom.
Wir sind Kirche: „Erster Schritt zur Aufarbeitung“
Bei
der Gestaltung des Gottesdienstes ist ganz bewusst die kirchliche Tradition
der Klagepsalmen aufgegriffen worden. Auch die Organisation Wir sind Kirche
ist im Vorfeld aktiv in die Organisation eingebunden worden. „Das ist ein
erster Schritt zur Aufarbeitung.“
Neben dem Tiroler Missbrauchs-Opfer sind weitere vier Betroffene zu Wort gekommen. Ihre Briefe sind aber von Lektoren vorgetragen worden. Nach jedem Brief wurde ein Klagepsalm gebetet.
Zwischen den einzelnen Lesungen haben Trommelwirbel und Instrumental-Musik für eine demütige Stimmung gesorgt.
Nachdem den Opfern viel Raum gegeben worden ist, hat Kardinal Christoph Schönborn das Wort ergriffen. Gemeinsam mit einer Theologin hat er das „Schuldbekenntnis im Namen der Kirche“ gesprochen. Dann wurde aus der Bibel zitiert. „Gott ist einer, der das Leid der Versklavten kennt, die Schreie der Versklavten hört und Moses ersucht, die Hölle aus den Sklaven zu holen.“ Heute treffen sich Schönborn und Klasnic.
Der Dompfarrer über das Schuldbekenntnis der Kirche
ÖSTERREICH: Was wollten Sie mit dem gestrigen
Gottesdienst im Stephansdom bewirken? |
Interview: Isabelle Daniel