Wende im Fall Alijev

Gutachten: Es war Mord

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Gutachter glaubt nicht an Tod durch Erhängen in Zelle.

Der Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nasarbajew, Rakhat Aliyev (52), war in den Morgenstunden des 24. Februar 2015 tot im Waschbereich seiner Einzelzelle in der Justizanstalt Josefstadt aufgefunden worden. Aliyev und zwei Mitangeklagte (42, 21) befanden sich zu diesem Zeitpunkt in U-Haft. Ihnen wurde der Doppelmord an zwei kasachischen Bänkern vorgeworfen.

Es hieß, der 52-Jährige hätte sich mit einer Mullbinde erhängt. Seine zwei Zellengenossen sollen ihn in Depressionen und in den Selbstmord getrieben haben. Sie sollen ihn während der Haft erpresst haben. Nachweisen konnte ihnen das nach dem Tod Aliyevs niemand mehr und sie wurden am Tag, als Aliyev gegen sie hätte aussagen sollen, freigesprochen. Auch seine beiden Mitangeklagten wurden in einem späteren Verfahren vom Mordvorwurf freigesprochen. Der damalige Richter hatte Zweifel an Beweismitteln aus Kasachstan. Fest steht: Auch Aliyev wäre in seinem Prozess freigesprochen worden.

Mediziner schließt 
Erhängen gänzlich aus

Auch deshalb die Zweifel an einem Selbstmord, der jedoch durch zwei Gutachten „zu hundert Prozent“ festgestellt worden war. Der Fall wurde ad acta gelegt.

Am Selbstmord zweifeln bis heute die Witwe und die Anwälte des Diplomaten (Ainedter & Ainedter). Wichtiges Beweismaterial soll von Datenträgern gelöscht und mögliche Verletzungen am Körper des Toten, die auf einen Kampf deuten, nicht ausreichend untersucht worden sein. Zudem sollen Fotos der Auffindungssituation des Toten verschwunden sein.

Gutachten. Am Montag wurde die Selbstmordthese mit dem Gutachten des renommierten deutschen Rechtsmediziners Bernd Brinkmann entkräftet. Anhand des vorhandenen Bildmaterials und der Befunde der vorangegangenen Untersuchungen rekonstruierte er ein völlig anderes Bild. Demnach soll Aliyev die sogenannte „Perthes’ sche Druckstauung“ aufweisen. Eine Erhängung könne er gänzlich ausschließen.

Die Anwälte und die Familie sind überzeugt: „Es war Mord.“ Mit den Erkenntnissen des neuen Gutachtens wollen sie jetzt versuchen, den Fall neu aufzurollen. (lae)

Rechtsmediziner: »Er hat sich sicher nicht erhängt«

ÖSTERREICH: Zu welchen neuen Erkenntnissen sind Sie in ­Ihrem Gutachten gekommen?

bernd brinkmann: Dass er sich sicher nicht, wie bisher angenommen, erhängt hat.

ÖSTERREICH: Wie kamen Sie zu diesem Ergebnis?

brinkmann: Aus den Leichenbefunden und den vorhandenen Lichtbildern ergibt sich unter anderem, dass Rakhat Aliyev an einer Perthes’schen Druckstauung verstorben ist. Das bedeutet, dass der Hals zusammengeschnürt wird, so dass venös kein Blut abfließen kann, arteriell aber noch Blut in den Kopf gepumpt wird. Es resultiert das bekannte blau-violette Gesicht. Beim Erhängen ist dieses Syndrom wesentlich geringer ausgeprägt oder fehlt vollkommen, weil beide Blutgefäße zusammengedrückt werden.

ÖSTERREICH: Was sagt das über die zwei vorangegangenen Gutachten aus?

brinkmann: Die Befunde sind in Ordnung. Es wurden allerdings falsche Rückschlüsse gezogen.

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