Hohe Symbolkraft

Junge Muslime besuchen Auschwitz

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Es ist der erste Besuch der Gedenkstätte am ehemaligen Vernichtungslager

Der Besuch einer muslimischen Delegation in Auschwitz ist nichts alltägliches. Auch wenn der Islam mit den grauenvollen Verbrechen des NS-Regimes nichts zu tun hat, ist das Verhältnis zum Judentum alles andere als friktionsfrei.
 

Hohe Symbolkraft

Es ist daher kein Zufall, dass die Reise der knapp 20 Vertreter der Muslimischen Jugend der erste Besuch einer offiziellen islamischen Delegation aus Österreich in der Gedenkstätte des größten und brutalsten Vernichtungslagers des so genannten "Dritten Reichs" ist. Ebenso wenig Zufall ist es, dass die Organisation als ihren heurigen Jahresschwerpunkt "MuslimInnen gegen Antisemitismus" gewählt hat. Die Diskussion um "importierten Antisemitismus" durch Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan belastet auch die österreichischen Muslime.
 
Der hohen Symbolkraft der dreitägigen Reise ist sich natürlich auch Canan Yasar aus dem Vorsitzteam der MJÖ bewusst. Dennoch ist es ihr im Gespräch mit der APA sichtlich Anliegen zu betonen, dass es bei dem Besuch auch darum gehe, österreichischen Jugendlichen ein Bild von der dunklen Geschichte ihres Heimatlandes zu geben.
 
Tatsächlich wirkt die Gruppe in der Gedenkstätte auch ein wenig verstimmt, als die örtliche Guide nach der Herkunft der Jugendlichen fragt. Bestimmt halten einige junge Frauen "Österreich" fest, andere liefern die wohl gewünschte Antwort und verweisen auf Wurzeln in der Türkei, Bosnien oder Jordanien.
 

Kleine Delegation

Dass eine relativ kleine Delegation nach Polen aufgebrochen ist, hängt nicht mit fehlendem Interesse zusammen. 20 war von den Organisatoren, dem österreichischen Gedenkdienst, als ideale Zahl nahegelegt worden. Ausgewählt wurden Jugendliche, die sich im Projektjahr besonders engagiert hatten oder die bei der Anmeldung besonders schnell waren, erläutert Nermina Mumic, eine der Co-Vorsitzenden der Muslimischen Jugend.
 
Berührungsängste zu anderen Religionen sind der Gruppe sichtlich fremd, was sich schon bei Betreten ihrer Unterkunft zeigt, wo am Eingang ein Bildnis des "polnischen Papstes" Johannes Paul II. unmissverständlich zeigt, dass es sich um eine christliche Einrichtung handelt. Als Verpflegung hat man "Vegetarisch" gewählt, so sind allfällige Missstimmungen Schweinefleisch betreffend gleich von vorhinein ausgeschlossen.
 
Besondere Adaptierungen das Besuchsprogramm betreffend hat es nicht gegeben, nur weil man erstmals eine muslimische Gruppe begleitet, betont ein Guide des Vereins Gedenkdienst. Ohnehin werde der Rahmen immer den Interessen der jeweiligen Teilnehmer angepasst. Einzig die Gebetszeiten habe man im Zeitplan berücksichtigt, erklärt Lena Krainz, stellvertretende Vorsitzende des Vereins, der aktuell mit dem Sozialministerium um seinen Weiterbestand verhandelt.
 

Vorbereitung und Nachbetrachtung

Dass Förderungen hier in einen sinnvollen Kanal fließen, zeigt sich an der Reise der jungen Muslime. Den Jugendlichen wird sowohl eine entsprechende Vorbereitung als auch - sowohl nach dem Besuch im Stammlager wie auch in der "Tötungsfabrik" Birkenau - eine ausführliche Nachbetrachtung ermöglicht. Jährlich werden mehr als zehn Gruppen Jugendlicher nach Auschwitz begleitet, oft Schulklassen, aber auch politische Jugendorganisationen.
 
Sicherheitsbedenken seitens der Gedenkstätte gab es nicht, weil eine muslimische Delegation das Lager bereist, hat man doch auch Besuche ähnlicher Gruppen aus Deutschland schon ruhig abgewickelt. Die Bedenken einzelner Jugendlicher, wonach Frauen mit Kopfbedeckung zu Anfeindungen anderer Besucher führen könnten, erweisen sich ebenfalls als unbegründet.
 
Die MJÖ-Delegation bewegt sich als eine von dutzenden Besuchergruppen unbeachtet durch den Komplex, der angesichts des prachtvollen Wetters bei flüchtigem Blick beinahe einen Ort des Friedens vortäuscht. Keine Selfies, keine Fotos, einzig Videoaufnahmen, die den Besuch dokumentieren - mit großem Ernst und Erschütterung angesichts der Bauten, in denen hunderttausende Menschen unermessliches Leid erlitten, ehe sie auf grausamste Art den Tod fanden, bewältigt die Gruppe die vierstündige Führung durch das Stammlager.
 

Andere Dimension

So meint auch Mumic, die das ehemalige KZ Mauthausen von Gedenkfeiern kennt, an denen die MJÖ seit über einem Jahrzehnt teilnimmt, Auschwitz sei noch einmal eine andere Dimension. Ihre ebenso um Fassung ringende Vorsitz-Kollegin Yasar zeigt sich erschüttert über die Grausamkeiten, zu denen Menschen fähig sind. Was vor dem Eintritt in die Gedenkstätte durch die freundliche Herbststimmung irreal wirkt, wird durch die ausgestellten Gegenstände der Opfer, die Fotos der Ermordeten, deren Unterkünfte und die ehemalige Gaskammer für alle Teilnehmer der Führung rasch allzu real.
 
Ohnehin muss in dieser Gruppe niemand von Antisemitismus geheilt werden, aber Yasar ist es deutliches Anliegen, ihre Religionsgemeinschaft insgesamt in Schutz zu nehmen. Ja, es gebe Antisemitismus unter Muslimen, aber den gebe es bedauerlicherweise auch in anderen Bevölkerungsgruppen, wird die Pädagogin nicht müde zu betonen.
 
Zu hoffen bleibt, dass auch nach Ablauf des bis März verlängerten Projektjahres die Verständigung zwischen Islam und Judentum weit oben auf der Agenda bleibt. Denn dass das Misstrauen groß ist, zeigte sich schon anlässlich der Präsentation des Schwerpunkts. Dieser wurde von der Israelitischen Kultusgemeinde nämlich begrüßt, nicht jedoch ohne anzumerken, dass "antiisraelische Propaganda von muslimischen Vereinen in Österreich" zu einem "mainstreamfähigen Antisemitismus" führe. Gemeinsame Aktionen von Kultusgemeinde und MJÖ gab es dann auch nicht, wohl aber mit dem Jüdischen Museum und Initiativen wie dem Cafe Abraham, zudem eine Begegnung mit einer Zeitzeugin des Holocausts.
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