Das Todesdrama auf dem Großglockner schlägt auch weltweit hohe Wellen. Einige der weltbesten Kletterexperten äußerten sich zu dem Fall und erklären, wie es zu der Tragödie kommen konnte.
Kerstin G. (33), eine selbst ernannte „Winterseele“ und „Bergmensch“, wurde nur wenige Meter unterhalb des Gipfelkreuzes des Großglockners am 19. Januar 2025 tot aufgefunden – knapp 50 Meter vor dem Ziel einer nächtlichen Bergtour. Geführt von ihrem erfahrenen Bergsteiger-Freund Thomas P. (39), wurde dort aber mutterseelenallein zurückgelassen.
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Die Staatsanwaltschaft Innsbruck erhebt schwere Vorwürfe: fahrlässige Tötung. Denn während P. als erfahrener Alpinist eine nächtliche Wintertour auf Österreichs höchsten Berg plante, war G. eine unerfahrene Bergsteigerin – und damit vollkommen auf seinen Schutz angewiesen.
Weltweit großes Thema
Nicht nur hierzulande beschäftigt der Fall die Menschen. Die „New York Times“ und die britische „Independent“ berichteten schon darüber. Das bekannte US-amerikanische Klettermagazin „Climbing“ sprach mit Experten über den Vorfall.
Dabei kamen die zwei argentinischen Extrembergsteiger und Bergführer Damian und Willie Benegas. Willie bestieg 13 Mal den Mount Everest. Sie kritisierten den späten Startzeitpunkt der Tour und die Verzögerungen. Die Zwillingsbrüder äußerten ihr Unverständnis, wieso Thomas P. die Tour nicht abgebrochen habe.
„Typisches Beispiel für Gipfelfieber“
Anhand der bekannten Informationen über den Ablauf schätzen die Brüder den Vorfall als ein „typisches Beispiel für Gipfelfieber“ ein. Willie beschrieb: „Manche Menschen reagieren, wenn etwas schiefgeht, als erstes mit den Worten “Uns geht es gut, wir schaffen das!'"
Er erzählte von einem Fall, wo er einen tschechischen Bergsteiger gewarnt hatte, den Himalaya-Giganten Lhotse (8517 Meter) nur wegen des zu großen Zeitverzugs und der nicht passenden Ausrüstung zu erklimmen. Der Mann sei trotzdem weitergegangen. Sein Leichnam wurde 12 Jahre später geborgen.
Von einem Fehler zu nächsten Fehler
Im selben Magazin äußerte sich auch Frédéric Degoulet, ein bekannter und ausgezeichneter französischer Bergführer, zu dem Todesdrama. Laut ihm sei nicht jede einzelne Entscheidung von Thomas P. fatal gewesen, aber in ihrer Gesamtheit führten sie zu diesem tragischen Fall. Degoulet meinte: „Es ist ein Fehler, gefolgt von einem weiteren und noch einem weiteren.“
Ähnlich wie die Benegas-Brüder findet Degoulet, ein starkes Ego und die Weigerung, Fehler einzugestehen, könnten beim Bergsteigen gefährlich werden. Diese führen dazu, dass Touren nicht abgebrochen werden und weitere Fehler begangen werden. Er erklärte: „Man gräbt und gräbt und gräbt, schämt sich, zuzugeben, dass man sich geirrt hat, und dann ist es plötzlich zu spät.“
Laut dem Franzosen könnte die enge Beziehung des Bergsteigerpaars zu einer „angespannten, komplexen Dynamik“ geführt haben. Er glaubt, dass Kerstin G. sich selbst hätte retten können, obwohl sie weniger erfahren war. Sie hätte selbst ein Notfallsignal dem Hubschrauber geben oder mit ihrem Handy Hilfe rufen können, so Degoulet. Doch die 33-Jährige hat sich auf ihren Partner verlassen, dass er eine „kluge Entscheidung“ trifft.