Innsbrucker Forscher wiesen "Polinton-ähnliche Viren" auch weltweit in Seen und Flüssen nach
Im hochalpinen Gossenköllesee in Tirol haben Wissenschafter der Universität Innsbruck eine neue Gruppe von Viren entdeckt. Bei der Untersuchung vorhandener Virus-DNA konnten sie 82 bisher unbekannte "Polinton-ähnlichen Viren" im See identifizieren. In der Folge zeigten sie, dass diese Virengruppe in Seen und Flüssen auf der ganzen Welt vorkommen. Wie sich diese Viren verhalten und wen genau sie infizieren ist noch unklar, berichten die Forscher im Fachjournal "Microbiome".
Viren zählen weltweit zu den häufigsten biologischen Einheiten auf der Erde. "In einem Teelöffel voll Fluss-, See- oder Meerwasser finden sich Millionen von Viren, die andere lebende Organismen infizieren", erklärte Christopher Bellas vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck in einer Aussendung. Die meisten seien für den Menschen völlig harmlos. Sie infizieren mikroskopisch kleine Tiere, Pflanzen und Bakterien, um sich zu vermehren.
Auf 2.400 Metern Höhe
So wird täglich eine riesige Anzahl von Mikroorganismen in der Umwelt durch die Viren zerstört und damit der Energiefluss in den Nahrungsnetzen auf globaler Ebene verändert. Aus diesem Grund suchen die Wissenschafter nach neuen Viren und versuchen zu verstehen, wie sie interagieren und ihre Wirte infizieren, um damit ihre Rolle in der Umwelt besser abschätzen zu können.
Vor diesem Hintergrund haben Bellas und Ruben Sommaruga mit ihrem Team nach Viren in dem auf 2.400 Metern Seehöhe gelegenen Gossenköllesee in den Stubaier Alpen gesucht. Sie verwendeten dazu eine Technik namens Metagenomik, mit der sie große Mengen an Erbgut (DNA) aus dem Seewasser sequenzierten, um zu ermitteln, welche Viren vorhanden sind und welche Organismen von ihnen infiziert werden könnten. "Bei der rechnerischen Zusammensetzung der Virusgenome waren wir überrascht, so viele Viren, die sich von den bereits bekannten unterscheiden, zu entdecken", so Bellas.
82 neue Vertreter
Sie fanden 82 neue Vertreter aus der Gruppe der "Polinton-ähnlichen Viren" im See. Nachdem sie dann die DNA-Sequenz dieser Viren kannten, suchten sie in globalen mikrobiellen DNA-Datenbanken danach und zeigten, dass "Polinton-ähnliche Viren" in Flüssen und Seen auf der ganzen Welt vorkommen, und nicht nur in hochalpinen Seen. Insgesamt identifizierten sie so über 500 weitere Viren aus dieser Gruppe.
Die Analyse zeigte den Forschern auch, dass die Viren eine große Bandbreite an mikroskopisch kleiner Organismen, deren Zellen einen echten Zellkern besitzen (Eukaryoten), infizieren könnten, darunter auch verschiedene Algengruppen in Seen. Noch ist unklar, wie diese Viren mit ihren Wirten interagieren und warum sie so häufig vorkommen.
Den Forschern zufolge wurden ähnliche DNA-Abschnitte, wie sie die neu entdeckten Viren besitzen, schon früher in den Genomen vieler eukaryotischer Organismen entdeckt. Bei diesen "Polintons" genannten Abschnitten handelt es sich um die größten mobilen Elemente im Genom von Eukaryoten. Bisher wurden aber noch nie "Polintons" außerhalb von Zellen beobachtet. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass im Fall von Mikroorganismen die 'Polintons' als freie Viren in Seen und Flüssen existieren, was bedeutet, dass sie wahrscheinlich eine Vielzahl von mikrobiellem Leben infizieren", so Bellas.