Verhandlung in Wien

Prozess um ''Genitalkontrollen'' nach Klima-Protest

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Weil ein Klimaaktivist im vergangenen Februar in einem Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) gezwungen wurde, seine Unterhose ausziehen, ist es am Freitag am Verwaltungsgericht zu einer Verhandlung gekommen.

Der damals zuständige Beamte berief sich im Zeugenstand auf das Sicherheitspolizeigesetz. Die Rechtsvertreterin des 24-Jährigen verwies auf bestehende Judikatur und warf der Polizei Unverhältnismäßigkeit vor. Zuvor hatte die "Letzte Generation" gegen, wie sagen "Genitalkontrollen nach Klimaprotest", Maßnahmenbeschwerde eingelegt.

Der 24-Jährige wurde als Mitglied der Klimaschutzgruppe am 20. Februar nach einer Klebe-Aktion in Wien festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum in der Rossauer Lände gebracht. Dort musste sich der Aktivist zuerst in einem drei Quadratmeter kleinen "Visitierraum" routinemäßig zur Durchleuchtung mittels Röntgengerät seiner Kleidung entledigen. "Man wird durchsucht und abgetastet und zieht sich bis auf die Unterhose aus", schilderte der Aktivist. Daraufhin habe ein Beamter ihn aufgefordert, auch seine Unterwäsche auszuziehen. "Ich hatte damals die Info, dass ich das nicht machen muss und habe mich geweigert", sagte der 24-Jährige vor der Richterin aus. "Dann haben wir diskutiert, bis der Beamte seinen Kollegen geholt hat, der in den Raum gekommen ist und er sich die Handschuhe übergestreift hat", so der Aktivist. "Ich habe dann angenommen, dass sie sie mir möglicherweise mit Gewalt hinunterziehen. Ich habe es dann selbst gemacht." Der Polizist habe "dann kurz hingeschaut" und gesagt er könne seine Unterwäsche wieder anziehen.

Beamter: "Maßnahme zur Eigen- und Fremdsicherung"

Der als Zeuge geladene damals zuständige Gruppeninspektor räumte den Sachverhalt am Freitag vor der Richterin ein, betonte jedoch, dass das Vorgehen Usus sei. "Das ist einfach eine Maßnahme zur Eigen- und Fremdsicherung", so der Beamte. "Wir haben schon Mini-Handys, Suchtgift oder Messer in Unterwäsche gefunden", so der Gruppeninspektor. Zuvor hatte die Landespolizeidirektion - ein Polizeijurist ließ sich bei der Verhandlung am Freitag wegen Krankheit entschuldigen - bereits in einer Mitteilung an die Rechtsvertretung des 24-Jährigen das Vorgehen zugegeben. Demnach vertritt die Behörde den Standpunkt, dass es sich bei der Amtshandlung nicht um eine Durchsuchung handle, weil der Beamte nur nachsehen habe wollen, ob in der Unterwäsche gefährliche Gegenstände verborgen gewesen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) habe solche Fragen jedoch bereits zweimal anders entschieden, betonte die Rechtsvertreterin des 24-Jährigen, Antonia Nagl vor Gericht. "Die Besichtigung des unbekleideten Körpers zum Zweck der Kontrolle der Unterwäsche wurde als Durchsuchung gewertet."

"Es hätte sein können, dass sich jemand anklebt"

Es könne entwürdigend oder demütigend sein, sich vor Fremden auszuziehen, warf auch die Richterin ein. "Das ist Standardprozedere", betonte dagegen der Inspektor. "Wir sagen immer sie sollen sie bis zu den Knien hinunterziehen." Es habe zwar keine Anhaltungspunkte für eine Eigen- oder Fremdgefährdung des Klimaaktivisten gegeben, "aber wissen kann man es im Vorhinein nie", sagte der Polizist. Er habe zudem den Verdacht gehabt möglicherweise Superkleber in der Unterwäsche des Mannes zu finden. "Es hätte sein können, dass sich jemand bei uns im PAZ anklebt und das brauchen wir nicht."

Der Aktivist entgegnete jedoch, dass verbale als auch physische Gewaltfreiheit ein wichtiges Credo der "Letzten Generation" sei. Er habe durch seine Protestaktion auf der Straße lediglich ein politisches Statement setzen wollen und bereits damals betont, dass er nicht festgenommen worden sei, weil er "jemandem wehtun" habe wollen, sondern aufgrund einer Verwaltungsübertretung.

Fall zeige "fehlendes Grundrechtsbewusstsein"

"Natürlich ist so eine Amtshandlung ein Grundrechtseingriff, der nur erfolgen darf, wenn er verhältnismäßig ist", stellte Nagl klar. Der Fall zeige "fehlendes Grundrechtsbewusstsein" bei der Wiener Polizei. Solch ein Eingriff dürfe "nie ein Standardprozedere sein, sondern es muss immer eine Abwägung im Einzelfall stattfinden." Wenn keine Anzeichen dafür vorlägen, dass Häftlinge gefährliche oder fluchtbegünstigende Gegenstände in der Unterwäsche verbergen würde, dann verletzten solche Maßnahmen ihre Grundrechte, hieß es.

Die Richterin erklärte die Verhandlung nach der Befragung des Zeugen und des Aktivisten für beendet. Das Urteil ergeht schriftlich und soll den Parteien kommende Woche zugestellt werden.

Bereits im Februar hatte die "Letzte Generation" wegen des Vorgehens im Polizeianhaltezentrum Kritik an der Exekutive geübt. Daraufhin wurden Maßnahmenbeschwerden durch den 24-Jährigen sowie eine weitere 22-jährige Aktivistin wegen "Durchsuchung des unbekleideten Körpers" eingebracht. Die Beschwerde der Aktivistin ist noch anhängig. Bei der Verhandlung am Freitag handelte es sich um die erste in Wien zu dieser Streitfrage in Zusammenhang mit Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation". "Uns ist wichtig, dass wir klären, dass diese Nacktuntersuchungen nicht notwendig sind, damit diese Kontrollen in Zukunft nicht mehr passieren", sagte Sprecherin Marina Hagen-Canaval gegenüber der APA.

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