Kardinal Christoph Schönborn will nach dem Papst-Besuch "in die Tiefe gehen und in Ruhe nachdenken über das, was er uns gesagt hat"
Beim Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, dem Gastgeber für Papst Benedikt XVI. während dessen Österreich-Visite in den vergangenen drei Tagen, überwiegt eindeutig ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. Dies sagte er unmittelbar nach dem Abflug des Kirchenoberhauptes am Wiener Flughafen am Sonntagabend vor Journalisten. "Österreich ist so ein winziger Teil der Weltkirche, und dennoch hat uns Papst Benedikt so viel Zeit, kostbare Gedanken und Zuneigung geschenkt." Mit der Zahl von 67.000 Gläubigen, die offiziell die vier öffentlichen Großveranstaltungen des Papstes besucht haben, zeigt sich der Kardinal zufrieden. Er bezeichnete es als "starkes Zeugnis des Glaubens".
Fristenlösung: "Nicht akzeptabler Status"
Nach
Papst Benedikt XVI. hat auch Kardinal Christoph Schönborn Bedenken zum
Umgang mit der Abtreibung in Österreich geäußert. "Die jetzige Gesetzeslage
ist für uns sicher nicht ein akzeptabler Status", kritisierte der
Vorsitzende der Bischofskonferenz bei der ORF-Sendung "im Zentrum" am
Sonntag die Fristenlösung. Stattdessen forderte er mehr staatliche
Unterstützung etwa für Hilfsfonds. Denn: "Wir müssen damit leben, weil das
demokratisch so entschieden ist."
"Nachdenken über das, was er gesagt hat"
Nach den
intensiven Tagen der Visite gelte es nun, "in die Tiefe zu gehen und in Ruhe
nachzudenken über das, was er uns gesagt hat", sagte der Kardinal, der
betonte, dass der Papst sehr viel zu brennenden Fragen unserer aktuellen
Gesellschaft gesagt habe. Damit widersprach er indirekt Kritikern, die
eindeutigere kirchenpolitische Stellungnahmen des Papstes erwartet hatten.
Der spirituelle Höhepunkt dieser Papst-Reise sei sicherlich die Jubiläumsveranstaltung in Mariazell gewesen, sagte Schönborn, als von besonderer historischer Bedeutung sei allerdings das stille Gedenken des Papstes am Wiener Judenplatz vor dem Holocaust-Mahnmal zu bewerten. Christentum und Judentum seien in Wien nicht nur geografisch, sondern stets auch historisch Nachbarn gewesen, meinte Schönborn unter Hinweis auf die beiden Veranstaltungsorte Am Hof und Judenplatz. Die Verbeugung des Heiligen Vaters vor den Opfern des Holocaust sei für alle Beteiligten ein bewegender Moment gewesen.
Auch der Grazer Bischof Egon Kapellari pflichtete bei und rechtfertigte das Fehlen einer Ansprache des Papstes am Judenplatz mit den Worten: Schweigen ist oft beredter als Reden.
"Berührender Besuch"
Für Kardinal Schönborn als
Menschen persönlich sei der Besuch des Papstes ebenfalls sehr berührend
gewesen: "Es war eine ganz besondere Erfahrung für mich, meinen eigenen
persönlichen Universitätslehrer in der für mich ganz realen Rolle als
Nachfolger des Apostels Petrus zu sehen und seine Kraft zu spüren, die ihm
dieses hohe Amt verleiht."