Die Seestadt soll laut Stadtregierung endlich weiter ausgebaut werden, nachdem der Bund grünes Licht für die Nordostumfahrung S1 gegeben hat. Die Umweltorganisation VIRUS ortet politisches Kalkül hinter der Baustopp-Erzählung und wirft Planungsstadträtin Ulli Sima Desinformation vor.
Im Nordosten Wiens soll ein Stadtentwicklungsprojekt endlich voranschreiten. Die Seestadt, seit Jahren als Zukunftsmodell beworben, soll laut Stadtregierung nun weitergebaut werden, weil der Bund entschieden hat, die Nordostumfahrung S1 doch zu realisieren. Der neue Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ), vormals Wiener Stadtrat, gab dafür zuletzt grünes Licht. Diese Entscheidung ermögliche nun auch die Weiterentwicklung des Stadtteils, erklärte Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) bei einem Lokalaugenschein. Doch genau dieser Darstellung widerspricht die Umweltorganisation VIRUS deutlich. Sprecher Wolfgang Rehm betont, dass der Weiterbau der Seestadt bereits unabhängig von neuen Straßen möglich sei.
Das einstige Flugfeld in Aspern
"Da stellt sich Sima zum wiederholten Mal zu einem Medientermin in die Asperner Pampas und jammert, dass die Seestadt-Nord ohne die heißersehnten Autobahnen nicht weitergebaut werden kann“, sagt Rehm. Dabei existiere seit dem 12. August ein Gerichtsurteil, das den Ausbau der Seestadt ausdrücklich ermögliche. Dass dieser Umstand bisher kaum kommuniziert wurde, schreibt Rehm auch der Betreiberfirma Wien 3420 aspern development AG zu. Diese habe das Urteil offenbar bewusst nicht öffentlich gemacht, um sich nicht gegen die politische Linie zu stellen. "Der Vertreter der Betreibergesellschaft war so linientreu, dass er sich nicht getraut hat, die gegenteilige frohe Botschaft öffentlich und unüberhörbar zu verkünden", so Rehm.
Baubeginn mit S1- Spange Seestadt "zwangsverknüpft"
Entscheidend sei ein Änderungsverfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung, das VIRUS bereits im Jahr 2022 angeregt habe. Damals habe man seitens der Stadt und der Entwicklungsgesellschaft das Verfahren abgelehnt, im Jahr 2023 dann aber still eingereicht. Rehm kritisiert, dass die Wiener Umweltschutzabteilung den Baubeginn bewusst an die Fertigstellung der Stadtstraße und der S1-Spange geknüpft habe. "Simas Hilfsapparat hat das Projekt offenkundig mit Vorsatz den Baubeginn eines Großteils des Städtebauvorhabens mit der Verkehrsfreigabe der Wunschstraßen der Stadtoberen zwangsverknüpft", sagt er. Sima habe diese künstliche Abhängigkeit später als unumstößliche Voraussetzung dargestellt.
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Beim Lokalaugenschein erklärte Sima, sie finde, dass sich das Problem an diesem Ort am besten veranschaulichen lasse. Die Fläche, die sie selbst als "Wüste mit U-Bahn" bezeichnete, sei zum Sinnbild für den Stillstand geworden. Rehm hingegen betont, dass bereits jetzt weitere Wohnbauten entstehen könnten, insbesondere im Norden der Seestadt. Der aktuelle Ausbau betreffe nur eine Bauphase, die übrigen Baufelder hätten längst einbezogen werden können. "Ich vertrete die begründete Auffassung, dass da gleich der gesamte Rest der Baufelder drinnen hätte sein können, wenn sich die Seestadt-Betreiber nicht über beide Verfahren so wahrnehmbar patschert angestellt hätten", meint er.