SPÖ und ÖVP streiten über Asylobergrenze. Ein VP-Chef fordert Rücktritt von Kern.
„Ich hoffe, dass es sich um eine Missinterpretation und nicht um einen Linksruck von Kanzler Christian Kern handelt“, sagt VP-Innenminister Wolfgang Sobotka. VP-Außenminister Sebastian Kurz hält Kerns Weg „für den falschen Weg“. SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl und der rote Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil fordern die Regierung auf, „die Bevölkerung nicht zu verunsichern“. Und Wiens VP-Chef Gernot Blümel findet überhaupt, dass Kern „abdanken“ solle.
Keine Frage, seit der neue SP-Kanzler Kern am Dienstag nach dem Ministerrat überraschend neue Asylzahlen – 11.000 statt wie bislang rund 20.000 Asylanträge – verkündet hatte, ist Feuer am Dach der rot-schwarzen Koalition:
Der Zahlenwirrwarr ist durch eine neue Rechenmethode entstanden. Wie berichtet, hat Kern Dublin-Fälle (jene, die aus sicheren Drittländern kommen) nicht mehr in die Asylanträge für die Obergrenze von 37.500 Asylwerbern eingerechnet. Genau das echauffiert nun Teile der SPÖ und die Mehrheit der ÖVP. Allerdings: Als Kern die Zahlen nannte, stand VP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner neben ihm und sagte: „Das sehe ich auch so.“ Wie auch immer.
„Man soll nicht versuchen, die Leute für dumm zu verkaufen. Die Obergrenze ist ohne Zahlentrickserei einzuhalten“, sagt jetzt der niederösterreichische VP-Landesrat Stephan Pernkopf zu ÖSTERREICH. Der Innenminister wiederum will heute die „tatsächlichen Asylzahlen“ bekannt geben.
Innenminister rechnet weiter alle Asylwerber ein
ÖSTERREICH-Recherchen ergeben, dass Sobotka heute sehr wohl auch die Dublin-Fälle und den Familiennachzug einberechnen will. Immerhin könnte man „90 Prozent der Dublin-Fälle nicht zurückweisen“, argumentiert die ÖVP.
In der SPÖ versucht man, den Ball wiederum an das schwarze Innenministerium zurückzuspielen: Das Innenministerium solle „die Zahlen transparent darstellen“, sagt SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda. Der „neue Stil“ des Kabinetts Kern hat immerhin ganze zehn Tage gehalten.
VP-Außenminister Kurz über Asylstreit: "Ich halte das für einen falschen Weg"
ÖSTERREICH: Welche Zahlen für die Obergrenze zählen denn nun? Schließen Sie sich der Rechenmethode des Kanzlers an?
Sebastian Kurz: Ich halte das für einen falschen Weg. Wenn die Obergrenze nun nicht mehr bei 37.500 Asylwerbern, sondern 37.500 Asylberechtigten angesetzt werden sollte, würde das das Land massiv überfordern. Denn damit wäre Österreich bei den Asylantragszahlen fast wieder auf dem Niveau des Vorjahres.
ÖSTERREICH: Aber was gilt nun? Das neue Asylgesetz ist seit 1. Juni in Kraft …
Kurz: Es geht darum, wie viele Personen wir in Österreich aufnehmen können. Ich erwarte mir, dass wir als Bundesregierung zu unserem Beschluss stehen und maximal 37.500 Asylwerber akzeptieren. Damit bleibt Österreich weiterhin eines der solidarischsten Länder der Welt. Wir nehmen pro Kopf immer noch wesentlich mehr Flüchtlinge auf als die meisten anderen Länder der Welt.
Rote und schwarze Kritik an Zahlenchaos
- Hans Niessl, SP-Landeschef: "Ich sehe es wie Doskozil. Streitereien über Zahlen sind absolut nicht angebracht. Das verunsichert nur die Bevölkerung."
- Gernot Blümel, VP-Chef Wien: "Wenn der neue Kanzler die Obergrenze aufweicht, kann er gleich wieder abdanken. Eine Obergrenze ist eine Obergrenze."
- H. P. Doskozil, SP-Minister: "Alle Zahlen müssen auf den Tisch. Es muss alles transparent sein. Die Regierung ist gut beraten, alles zu veröffentlichen."
- S. Pernkopf, VP-Landesrat: "Das Kanzleramt soll die Leute nicht für dumm verkaufen. Die Obergrenze für Asylwerber ist ohne Zahlentricksereien einzuhalten."