Sicherheitsdirektor Lißl warnt jedoch vor "schnellen Vorverurteilungen".
Nach der eskalierten 1.-Mai-Demo in Linz wurden am Mittwoch erneut schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben: Das "Bündnis gegen Polizeigewalt und für Demonstrationsfreiheit" veröffentlichte eine E-Mail mit der Bitte eines ermittelnden Beamten, die Aussagen von zwei Kollegen abzustimmen. Der Verdacht liege nahe, "dass diese Form der Absprachen keine Einzelfälle sind", so die Bündnissprecher Vanessa Gaigg und Christian Daibl. In der Vorwoche war ein Aussage-Entwurf der Polizei für einen beschuldigten Beamten publik geworden.
Abstimmung
Das Ersuchen um Abstimmung habe zu zwei fast
gleichlautenden Amtsvermerken im Akt geführt, berichteten Gaigg und Daibl.
Für einen außenstehenden Beobachter könnte der Eindruck gewonnen werden,
"dass eine einheitliche, inhaltlich abgestimmte Verantwortung beider
Polizisten herbeigeführt werden sollte", so Bündnis-Anwalt Rene Haumer in
einer Sachverhaltsdarstellung an das Büro für Interne Angelegenheiten. Die
zwei Berichte seien nahezu wortgleich abgefasst, in der Gerichtsverhandlung
aber habe ein Beamter seine schriftliche Darstellung in den entscheidenden
Punkten relativiert.
Zweifelhaftes Licht
"Diese Praxis wirft ein sehr zweifelhaftes
Licht auf die Linzer Polizei", kritisierten Gaigg und Daibl. Sie fordern den
oberösterreichischen Sicherheitsdirektor Alois Lißl und den Linzer
Polizeidirektor Walter Widholm auf,"diesen Vorgängen auf den Grund zu gehen
und nicht zuzulassen, dass das Vertrauen in unserer Rechtsstaat weiter
ausgehöhlt wird".
Prüfungen
Man befinde sich inmitten mehrerer Prüfungen,
zudem sei noch ein Gerichtsverfahren anhängig, reagierte Lißl auf die
Vorwürfe. "Jetzt Vorverurteilungen vorzunehmen, ist unfair." Er verwies
zudem auf eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats, wonach der
Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray bei der Demo durch die Polizei
gerechtfertigt gewesen sei.
An der von linken Organisationen veranstalteten Kundgebung am 1. Mai hatten 500 bis 700 Personen teilgenommen. Als rund 100 Polizisten mit der Begründung, es hätten sich Vermummte eingeschlichen, die Demonstranten am Weitergehen hinderten, eskalierte die Situation. Es gab auf beiden Seiten Verletzte, fünf Personen wurden festgenommen. Ein Demonstrant wurde bisher nicht rechtskräftig verurteilt, zwei wurden freigesprochen, ein Verfahren eingestellt. Am Donnerstag kommender Woche muss sich der Vizerektor der Kunstuniversität Linz, Rainer Zendron, der sein Amt ruhend gestellt hat, vor Gericht verantworten. Er war damals festgenommen worden, die Anklage wirft ihm Widerstand gegen die Staatsgewalt vor.