AKW Temelin

Chancen bei Klage gering

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Die Chancen auf ein internationales Gerichtsverfahren bei einer Verletzung des Melker Abkommens sind "äußerst gering".

Das sagte der Völkerrechtler Franz Leidenmühler von der Johannes Kepler Universität Linz am Donnerstag. Zudem betonte der Experte, dass es sich bei der in Brüssel abgeschlossenen bilateralen Vereinbarung zum tschechischen Atomkraftwerk Temelin um einen völkerrechtlichen Vertrag handle, der als solcher rechtlich verbindlich sei. Umweltminister Josef Pröll (V) hatte zuvor angekündigt, dass Österreich rechtliche Schritte gegen die Kollaudierung Temelins prüfen wolle.

Verstoß der Tschechischen Republik
In der Melker Vereinbarung sei festgeschrieben, dass Temelin nur kommerziell in Betrieb gehen darf, wenn die Sicherheitsbedenken ausgeräumt sind, betonte Leidenmühler. Die Expertenkommission habe noch Sicherheitsmängel festgestellt. Dennoch sei der Betrieb des Kraftwerks offiziell genehmigt worden. "Damit haben wir einen klaren völkerrechtlichen Verstoß durch die Tschechische Republik."

Tschechien unterliegt IGH nicht
Rechtsschritte stehen Österreich allerdings wenige zu Verfügung: Weil das Abkommen keine Klausel zur Gerichtsbarkeit enthält, wäre eigentlich der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag zuständig. Allerdings habe sich Tschechien - im Gegensatz zu Österreich - diesem Gericht nicht unterworfen. Ein Verfahren vor dem IGH könnte daher nur dann stattfinden, wenn beide Parteien die Streitigkeit an das Gericht herantragen, so der Experte. Die Frage ist freilich, ob Tschechien dem zustimmen würde.

EuGH nicht zuständig
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) andererseits sei nicht zuständig. Bilaterale Fragen fallen nicht in die Zuständigkeit der EU. Das Melker Abkommen sei auch nicht in die Beitrittsakte Tschechiens aufgenommen worden. Daher habe es nicht den Rang von primärem Gemeinschaftsrecht.

"Diplomatischer Protest"
Österreich habe aber die Möglichkeit eines "diplomatischen Protests". Dabei handelt es sich um "eine offizielle Stellungnahme des offiziellen Österreich", so Leidenmühler. Diese könnte etwa in Form einer diplomatischen Note erfolgen. Ein solcher Protest wäre völkerrechtlich anerkannt.

Abkommen ist verbindlich
Die völkerrechtliche Verbindlichkeit des Melker Abkommens in seiner Brüsseler Fassung steht laut Leidenmühler außer Zweifel. In dem Text des Dokuments selbst werde der "verbindliche Charakter" der Vereinbarung genannt. Ebenso ist von "bilateralen Verpflichtungen" die Rede. Dies seien klare Hinweise für die Verbindlichkeit des Abkommens, erklärt Leidenmühler. Auch die Außenminister beider Staaten hätten dies nach der Vereinbarung wechselseitig bestätigt.

Melker Schlussdokument
Die Melker Schlussdokument wurde am 29. November 2001 von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und seinem damaligen tschechischen Amtskollegen Milos Zeman in Brüssel unterzeichnet. Das Abkommen ist keinem Ratifikationsprozess unterzogen worden, weswegen auch Zweifel an seiner völkerrechtlichen Verbindlichkeit aufgekommen sind. Die Ratifikation durch das Parlament sei bei bilateralen Verträgen zwar häufig, aber nicht notwendig, sagte dazu Leidenmühler. Bei technischen Abkommen oder völkerrechtlichen Routinevereinbarungen sei eine Ratifizierung sogar "unüblich".

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