Zerreissprobe um SPÖ

Chaos um Kern: Keiner will SPÖ retten

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Im Hintergrund wird Doris ­Bures nun von SP-Granden bekniet, SP-Chefin zu werden.

Wien. „Wieso hast du das so gemacht?“, fragten gleich mehrere SPÖ-Präsidiumsmitglieder gestern Noch-SPÖ-Chef Christian Kern fassungslos. Zur Erinnerung: Kern hatte am Dienstag erklärt, dass er als SPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl 2019 antreten und als SPÖ-Chef zurücktreten wolle. Mit seiner überraschenden Ankündigung stürzt er seine Partei nun in ein Chaos:

  • Kerns Wunschnachfolgerin, Pamela Rendi-Wagner, hat nicht die Rückendeckung der SPÖ Wien oder des Burgenlandes. Auch viele andere SPÖ-Granden – aus beiden Lagern der SPÖ – meinen, sie sei „politisch zu unerfahren für oppositionelle Knochenarbeit“.
  • Die Wunschnachfolgerin der Wiener Roten und von breiten Teilen der Partei, Nationalratspräsidentin Doris Bures, bekräftigte gestern erneut, dass sie nicht SPÖ-Chefin werden wolle („Ich stehe nicht zur Verfügung“).
  • Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und Burgenlands SP-Chef Hans Peter Doskozil sagen Njet zum Kern-Job.

SPÖ legt Kriterien für neuen SPÖ-Chef fest

Einige Rote bringen Ex-SP-Minister Josef Ostermayer ins Spiel. Der Haken: Er hat kein Nationalratsmandat. Das gilt auch für Time-Warner-Manager Gerhard Zeiler, den man zu dem Job „durchaus überreden könnte“, so ein Vertrauter. ÖGB-Boss Wolfgang Katzian wiederum – von vielen in der SPÖ als „idealer SPÖ-Chef“ angesehen, winkt ebenfalls ab.

Im SPÖ-Präsidium wurde jedenfalls festgelegt, dass der Parteitag vom 5. Oktober auf den 24. November verschoben werde. Bis 15. Oktober solle ein neuer SPÖ-Chef feststehen. Für diesen – oder diese – wurden Kriterien festgelegt:

Es müsse vorab klar sein, wie die Oppositionsrolle angelegt werde. Zudem soll der oder die Neue erklären, wie er die Partei neu strukturieren wolle.

Und – last, but not least – sollen auch die „Chancen, als Spitzenkandidat zu reüssieren“, mit entscheiden.

Kern will sich weiter für seine Ex-Gesundheitsministerin einsetzen. Die Wiener Roten wollen doch noch ­Bures überzeugen …

Wer noch im Gespräch ist...

Hans Peter Doskozil, SPÖ-Burgenland-Chef.

Doskozil
© ÖSTERREICH/ Artner
× Doskozil

Ex-Verteidigungsminister hat bereits abgewunken – er will im Februar Hans Niessl als Landeshauptmann beerben. Der hält ihn aber für geeignet.

Josef Ostermayer, Ex-Minister, Faymann-Freund.

Ostermeyer
© APA

Könnte er überredet werden? Die alte Faymann-Gruppe bringt den Namen des früheren Kanzleramtsministers ins Spiel. Er ist inzwischen Wohnbau-Boss.

Hans Niessl, Noch-Landeshauptmann. 

Niessl
© TZOe Artner

Dem 67-Jährigen werden selbst Ambitionen nachgesagt. Allerdings: Er will eigentlich im kommenden Februar in Pension. Er ist extrem sauer auf Kern.

Gerhard Zeiler, Ex-ORF-Generalintendant. 

Gerhard Zeiler
© APA/HELMUT FOHRINGER

Wenn ihn alle Partei-Granden bitten, dann würde es der gebürtige Ottakringer wohl machen. War schon als Faymann-Nachfolger im Jahr 2016 im Spiel.

Peter Kaiser, Landeshauptmann Kärnten.

Peter Kaiser
© APA/HANS PUNZ

Auch er hat abgesagt,  der Wahlsieger vom Frühjahr will nicht als SPÖ-Chef nach Wien gehen. Er wird aber ein gewichtiges Wörtchen mitreden.

Peter Hanke, SPÖ-Stadtrat in Wien. 

Peter Hanke
© TZOe Artner

Er übernahm gerade das Finanzressort in der Hauptstadt – sein Name wird im Hintergrund gehandelt. Er wäre eine überraschende Lösung.

Ludwig: Dieser Start war holprig

ÖSTERREICH: Herr Bürgermeister, Kerns Rücktritt löste Chaos aus, oder?

Michael Ludwig: Von der Form her hätte man das anders machen können. Das geht wirklich besser. Das war ein wenig holprig und überhastet, weil am Mittwoch in Salzburg die Spitze der EU-Sozialdemokraten tagte. Inhaltlich finde ich den Vorschlag sehr gut.

ÖSTERREICH: Wie fiel diese Entscheidung?

Ludwig: Wir haben bei einer Sitzung am Dienstag alle Beschlüsse vorbereitet, ich war immer in Kontakt mit Christian Kern. Jetzt muss sich die SPÖ wieder auf die Auseinandersetzung mit dem politischen Mitbewerber konzentrieren.

ÖSTERREICH: Gibt es einen Nachfolger?

Ludwig: Da gibt es genug geeignete Persönlichkeiten. Ich wollte zuerst die Parameter entwickeln und über Inhalte reden, um dafür die geeignete Person zu suchen. Die Entscheidung soll sehr schnell getroffen werden, aber wir werden dafür ein paar Tage brauchen.

Vranitzky: "Bin entsetzt vom Stil"

ÖSTERREICH: Können Sie den Stil des Rückzuges von Kern nachvollziehen?

Franz Vranitzky: Nein, ich kann weder den Stil, noch den Zeitpunkt nachvollziehen. Ich bin entsetzt. Natürlich kann er sich entscheiden für die EU-Wahl anzutreten, aber dann kommuniziert man das anders. Das stürzt die SPÖ in eine schwierige Situation zu einer Unzeit.

ÖSTERREICH: Weil sich kein SPÖ-Chef findet?

Vranitzky: Auch wegen der politischen Rahmenbedingungen. Wir erleben gerade einen gefährlichen Rechtsruck in Italien, in Ungarn, in Deutschland und auch in Österreich. Strache und Kurz wollen beide

Österreich nach rechts rücken. Da bräuchte man eine starke SPÖ. Wer, wenn nicht die SPÖ muss in so einer Situation entschieden auftreten und die Feuermauer dagegen sein? Daran hätte Kern denken müssen, statt die Partei zu schwächen.

(isa) 

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