Politik-Insider

Martin Sellner - der 'Hipster-Neonazi'

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Wer ist der Rechtsextreme, der die Regierungskoalition spaltet?

Er lässt sich gerne mit Büchern von Martin Heidegger fotografieren. Er hat die Identitären in Österreich mitbegründet und löst in der türkis-blauen Regierung einen veritablen Koalitionsstreit aus. Er sei ein „Hipster-Neonazi“, sagen Rechtsextremismusexperten über Martin Sellner, der es dieser Tage zu Schlagzeilen von der New York Times bis zur BBC schafft. Aber wer ist dieser 30-Jährige, der 2006 zu 100 Stunden Arbeit auf einem jüdischen Friedhof verurteilt wurde, weil er eine Synagoge mit Hakenkreuz-Stickern schändete?

Eigentlich hätte der studierte Philosoph die besten Bedingungen für ein gutbürgerliches Leben: Seine Arztfamilie aus Baden konnte ihm stets ein kommodes Leben bieten. Zwei seiner Brüder dürften seine Ideologie teilen, ebenso wie seine US-Verlobte Brittany Pettibone, die den Niederösterreicher in die antisemitische US-Alt-Right-Szene einführte. Er sei „kein Neonazi“, sagt Sellner.

Küssel

Seine Wurzeln sind freilich eindeutig: 2006 bewundert er die Neonazigröße Gottfried Küssel, der sein Mentor wird. Sellner, der heute diese Kontakte als „Verirrung“ darstellt, begleitet Küssel zwei Mal zu Kranzniederlegungen für einen NS-Flieger. Insider berichten, dass Küssel Sellner als talentiert angesehen habe. Für die Neonazi-Website Alpen-Donau.info soll Sellner auch Administrator gewesen sein, sind Verfassungsschützer sicher. Die Köpfe der Neonaziszene werden 2011 zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Die Szene verkommt. Junge Menschen zieht es nicht mehr zu den grobschlächtigen Neonazis. Da findet Sellner einen neuen Mentor: Götz Kubitschek. Der extreme Verleger nimmt den jungen Sellner 2012 ins französische Orange mit, wo die Génération Identitaire gegründet wird. Die Franzosen erklären ihnen, dass sie sich „eleganter“ kleiden, an ihrer Sprache feilen und den Judenhass „aus strategischen Gründen“ aus der Öffentlichkeit verbannen.

Rhetorik

Sellner verbringt mehrere Monate bei Kubitschek in Deutschland. Er kehrt zurück nach Wien und gründet die Identitären Österreichs mit. Regelmäßig fährt er auf Seminare nach Frankreich und wird in Rhetorik geschult.

Aber er zeigt auch andere Seiten. „Gott sei Dank hab’ ich schon eine Waffe gekauft, bevor der Asylwahn begonnen hat“, twittert er 2016. 2017 wird er mit einem Waffenverbot belegt, nachdem er in der U-Bahn-Station Schottentor mit einer Gaspistole um sich schießt. 2017 sammeln die Identitären 170.000 Dollar und starten mit dem „Defend Europe“-Schiff eine Anti-Migranten-„Aktion“ im Mittelmeer, die Sellner und Co. zur Lachnummer macht. Das Schiff muss von NGOs gerettet werden.

Sellner betreibt immer manischer seinen Blog. Großbritannien nimmt ihn 2017 zwei Mal bei Einreiseversuchen fest. Wegen „Hassreden“. Am 8. September 2018 organisiert er „Gedenken 1683“ am Kahlenberg. Im selben Jahr erhalten Sellner und die französischen Identitären Spenden von dem Neonazi-Killer Brenton Tarrant. Auf dessen Waffe und Manifest stand „1683“, als er 50 Menschen in Neuseeland tötete.

I. Daniel

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