Chronologie

Die BAWAG und der Skandal

Teilen

Umstrittene Geschäfte brachten die Bank des "kleinen Mannes" in Turbulenzen.

1922
Gründung der "Arbeiterbank". Die Bank soll die finanziellen Mittel der Gewerkschaften und Konsumgenossenschaften verwalten. Bereits 1883 entstand das "Postsparcassen-Amt" als Vorläuferin der Postsparkasse. 117 Jahre später geht die Postsparkasse mit der BAWAG zusammen - zur BAWAG P.S.K. und heutigen Nummer vier am heimischen Bankplatz.

1934
Im Ständestaat wird die Arbeiterbank zwangsweise liquidiert. Nach dem Krieg Neugründung durch ÖGB.

1963
Namensänderung in "Bank für Arbeit und Wirtschaft " (BAWAG). Sie gilt als "Bank des kleinen Mannes".

1994
Die Bank muss umstrittene Karibikgeschäfte (Vater-Sohn-Deals Flöttl) auf Behörden-Druck stoppen.

1995
Helmut Elsner wird Generaldirektor der BAWAG, die riskanten " Karibikgeschäfte" werden wieder aufgenommen. Die Bank ist Hauptfinancier des Konsum Österreich, der in diesem Jahr in Ausgleich geht. Ein Jahr später steigt die Bayerische Landesbank (BayernLB) bei der BAWAG ein.

1998
Gründung eines Joint Ventures mit dem US-Broker Refco (50:50). Ein Jahr später BAWAG-Einstieg mit 10 Prozent beim US-Finanzhaus Refco.

2000
Die BAWAG kauft die Postsparkasse für 1,28 Mrd. Euro. Wolfgang Flöttl jun., der Sohn des früheren BAWAG-Chefs, verspekuliert mit Asien-Swaps mehrere hundert Millionen Euro. Die Bank kann nur dank einer ÖGB-Garantie bilanzieren. Im Bank-Aufsichtsrat weiß nur der Präsident davon.

2004
Der ÖGB kauft den BAWAG-Anteil von der BayernLB zurück und wird 100-Prozent-Eigentümer. Im Juni verkauft die BAWAG ihre 10-Prozent-Refco-Beteiligung für kolportierte 220 Mio. Dollar.

2005 Mai
Refco berichtet im Vorfeld des Börsegangs über Ermittlungen der US-Börsenaufsicht SEC und eine mögliche Anklage wegen Spekulationen. Refco geht an die Börse.

Oktober
Die Fusion von BAWAG und P.S.K. tritt in Kraft. Refco-Boss Philip Bennett soll 430 Mio. Dollar (360 Mio. Euro) an faulen Krediten vor dem Unternehmen verschleiert haben. Am 10.10. bezahlt die BAWAG einen Kredit an Refco. Bennett wird entlassen, Refco-Bilanzen seit 2002 nicht verlässlich.

12.10.
Bennett wird wegen Verdachts auf Wertpapierbetrug vorübergehend verhaftet.

13.10.
Refco stoppt Geschäfte seiner Kapitalmarkt-Tochter wegen akuten Liquiditätsmangels. Am 14.10. setzt die New Yorker Börse den Handel mit Refco-Aktien aus.

16.10.
Die BAWAG räumt ein, durch Refco/Bennett-Kreditlinien von 425 Mio. Euro betroffen zu sein. Vorsorge für "praktisch auszuschließende Maximalbelastung" wurde getroffen. Der Kredit wurde voll ausgeschöpft.

18.10.
Die New Yorker Börse nimmt Refco vom Kurszettel. Die Refco-Gruppe ist insolvent, unter Gläubigerschutz nach Chapter 11.

11.11.
Die Finanzmarktaufsicht (FMA) leitet zu BAWAG/Refco ein behördliches Ermittlungsverfahren ein.

16.11.
Die BAWAG klagt Refco und Bennett wegen Betrugs, Bereicherung, Irreführung. Die Bank verlangt die Rückzahlung einer Kreditsumme von 350 Mio. Euro. Die Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet.

17.11.
BAWAG-Chef Zwettler erklärt seinen Rücktritt per Jahresende.

24.11.
Ewald Nowotny wird zum neuen BAWAG-Generaldirektor ab 1. Jänner 2006 bestellt.

2006 17. März
BAWAG-Chef Nowotny informiert die FMA über die spekulativen Karibik-Geschäfte.

24.3.
BAWAG-Aufsichtsratschef Günter Weninger enthüllt die hohen Verluste 2000 und die damalige Garantie des ÖGB. Er kündigt seinen Rücktritt an. Aus der Refco-Kreditaffäre bleibt für die Bilanz 2005 ein Wertberichtigungsbedarf von 392 Mio. Euro. 120 Mio. Euro der einstigen Garantie des ÖGB sind noch offen. ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch verteidigt die damalige "schwere Entscheidung", die Haftung für die BAWAG zu übernehmen.

27.3.
Verzetnitsch tritt zurück. Vier BAWAG-Vorstände müssen gehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

29.3.
Erich Foglar wird neuer ÖGB-Finanzchef.

30.3.
Der ÖGB-Bundesvorstand fasst in einer Nachtsitzung einen Grundsatzbeschluss zum vollständigen Verkauf der BAWAG.

3.4.
Gegen Bennett wird ein Haftbefehl erlassen. Gegen Wolfgang Flöttl Junior wurde der Haftantrag hingegen abgewiesen. Der im Entwurf vorliegende Jahresabschluss 2005 muss noch einmal begutachtet werden.

7.4.
Der neue BAWAG-Aufsichtsrat steht: 9 statt bisher 14 Kapitalvertreter. An der Spitze steht der einstige Wiener Städtische-Chef Siegfried Sellitsch. Seine Stellvertreterin ist die GPA-Geschäftsführerin Dwora Stein. Der Großteil der alten Aufsichtsratsmitglieder - darunter das bisherige Präsidium - lässt die Mandate auslaufen. Die früheren BAWAG-Chefs Helmut Elsner und Johann Zwettler werden einvernommen. Vorerhebungen gegen Elsner und Zwettler laufen unter anderem wegen des Verdachts der Untreue.

18.4.
Ex-Chef Elsner tritt aus der SPÖ aus und kommt damit einem Ausschlussverfahren zuvor.

19.4.
Das Straflandesgericht Wien leitet gegen Verzetnitsch und Weninger, Vorerhebungen nach Paragraph 255 Aktiengesetz ein.

20.4.
Das ÖGB-Präsidium beauftragt die Investmentbank Morgan Stanley mit der Käufersuche für die Gewerkschaftsbank. Wegen des Verdachts der Bilanzmanipulation geht die Staatsanwaltschaft nun auch gegen die Prüfer der Wirtschaftsprüfungskanzlei KPMG vor.

25.4.
Refco-Gläubiger haben bei einem US-Gericht um die Erlaubnis angesucht, von der BAWAG mehr als 1,3 Mrd. US-Dollar (rund 1 Mrd. Euro) einzufordern und beschuldigen die Bank der Beihilfe zum Betrug. Die Gewerkschaftsbank sieht sich weiterhin selbst als Opfer eines Riesenbetruges.

26.4.
Österreichs Hochfinanz setzt sich zu einer konzertierten Aktion zur aktuellen Schadensminimierung bei der BAWAG und auch für den heimischen Finanzplatz zusammen. Das Krisenmanagement obliegt der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Ein US-Richter friert das gesamte BAWAG-Vermögen in den USA ein.

27.4.
Der geschäftsführende ÖGB-Vorsitzende Rudolf Hundstorfer spricht von einer "dramatischen Situation". Die ÖVP wird das Verhalten von SPÖ und ÖGB in Zusammenhang mit der BAWAG-Affäre zum Wahlkampfthema machen, bestätigte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V). Laut OeNB-Gouverneur Klaus Liebscher derzeit "schwierige Situation", aber Notenbank nicht als Krisenmanager mit anderen Banken im Gespräch. BAWAG aus heutiger Sicht ein solventes Unternehmen. OeNB bereit, bei Engpässen Liquidität zur Verfügung zu stellen. Die für heute geplante Anhörung vor dem US-Gericht wird auf Montag verschoben. BAWAG-Generaldirektor Ewald Nowotny bietet eine Vergleichsregelung mit den Gläubigern der US-Brokerfirma Refco an.

28.4.
Wieder massive Geldabflüsse von Sparkonten. Keine Dividende für 2005. ÖGB war mit der Refco verstrickt. Eine von der Vermögensverwaltung des ÖGB gegründete Stiftung namens Desana war indirekt als Kreditgeber tätig und mit mehr als 27 Prozent bei Refco drin. Eine direkte Beteiligung des ÖGB an Refco wird von Hundstorfer und Foglar vehement in Abrede gestellt. Die BAWAG sieht sich als Gläubiger.

29.4.
Hundstorfer kündigt Lösung für BAWAG mit US-Gläubigeranwälten in nächsten 48 Stunden an. Generaldirektor Nowotny fliegt nach London, um dort einen Vergleich mit den Refco-Gläubigeranwälten zu unterschreiben, der rechtlich und inhaltlich verbindlich sein soll. Als Summe für einen Vergleich werden mehrmals 400 Millionen Euro genannt. Auch führende Mitglieder der Bundesregierung haben sich unterstützend eingeschaltet.

30.4.
Refco-Gläubiger lassen die BAWAG abblitzen. BAWAG-Chef Nowotny kehrt ohne "den Deal" von London nach Wien zurück. Die Verhandlungen um eine außergerichtliche Streitbeilegung sind " vorerst beendet", die Gespräche aber nicht abgebrochen.

1./2. Mai
"Tag der Arbeit" von BAWAG-Krise überschattet. ÖGB-Chef Hundstorfer kündigt weitere " harte Konsequenzen" an. Der Skandal gehöre schonungslos aufgearbeitet, ehrlich und schnell und ohne falsche Rücksichtnahme. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer kündigt an, mit den "Abzockern" aufräumen zu wollen. - Krisensitzung des ÖGB-Präsidiums endet am Nachmittag kommentarlos. Sonderaufsichtsrat der BAWAG. - Klage in den USA wird zunächst abgewendet. Vor dem US-Konkursrichter enden die Verhandlungen um einen Vergleich mit den Refco-Gläubigern mit einer vorläufigen Einigung: BAWAG-Konten mit 1,09 Mrd. Dollar bleiben eingefroren, die Bank darf aber weiter Geschäfte in den USA betreiben. In zwei Tagen soll es eine rechtlich verbindliche Einigung geben. - Gemeinsamer Kraftakt am Abend des 1. Mai von Bund, Nationalbank, Banken und Versicherungen im Kanzleramt: Bund und Banken greifen der BAWAG unter die Arme. Der Bund gewährt eine bis Juli 2007 befristete Garantie von bis zu 900 Mio. Euro. Banken und Versicherungen stellen 450 Mio. Euro Besserungskapital zur Verfügung. ÖGB legt gegenüber Nationalbank Streikfonds offen.

8.5.
Der Nationalrat verabschiedet - eine Woche nach der abendlichen Krisensitzung im Bundeskanzleramt am "Tag der Arbeit" - die Bundeshaftung für die BAWAG in Höhe von bis zu 900 Mio. Euro in einer Sondersitzung einstimmig. Geprägt war die Debatte trotz Konsens in der Sache von gegenseitigen Vorwürfen. Die Opposition hielt der Regierung vor, zu spät reagiert zu haben, die Koalition - vor allem das BZÖ - attestierte der SPÖ mangelnde Schuldgefühle. Vorgenommen wurde im letzten Moment noch eine Abänderung, die sicherstellt, dass der ÖGB als Eigentümer nur so weit haften muss, als er dadurch nicht insolvent würde.

16.5.
Die Bundesgarantie über 900 Mio. Euro für die angeschlagene Gewerkschaftsbank tritt formal in Kraft, nachdem der ÖGB-Bundesvorstand am Nachmittag jenem Teil des Vergleichs der BAWAG mit den amerikanischen Refco-Gläubigern, der die Gewerkschaft betrifft, zugestimmt hat.

10./11.6.
Medienberichte sprechen erstmals von möglicherweise bis zu 2,4 Mrd. Euro Schulden des ÖGB wegen des BAWAG-Debakels. Als im Herbst 2005 die BAWAG die Postsparkasse fusionierte, landeten hohe Schuldenberge bei der Gewerkschaft. ÖGB-Chef Hundstorfer bestätigt dieses Wochenende, dass der ÖGB - also die Mutter der BAWAG - im Wesentlichen den seinerzeitigen Kaufpreis für die Postsparkasse "geschluckt" hat.

30.6.
Der am New Yorker Konkursgericht genehmigte Globalvergleich der BAWAG P.S.K. mit der insolventen Brokerfirma Refco und den Refco-Gläubigern macht den Weg für den geplanten Verkauf der Gewerkschaftsbank frei. Durch den milliardenschweren Vergleich kauft sich die BAWAG von noch teureren Klagsrisiken frei. Am selben Tag (30.6.) sagt AK-Präsident Tumpel, Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident vor dem BAWAG-Unterausschuss des Rechnungshof-Ausschusses im Parlament aus, weder er als Person noch der Aufsichtsrat hätten von Verlusten bei der BAWAG gewusst.

7.7.
Beim BAWAG-U-Ausschuss des RH-Ausschusses des Nationalrates war überwiegend Schweigen das Motto: Die als Auskunftspersonen geladenen Ex-BAWAG-Chefs Elsner und Zwettler sowie Ex-BAWAG-Aufsichtsratschef und Ex-ÖGB-Finanzchef Weninger enthielten sich unter Verweis auf gegen sie laufende Ermittlungen der Justiz der Aussage. Lediglich Ex-ÖGB-Chef und Ex-SPÖ-Abgeordneter Verzetnitsch stand den fragenden Abgeordneten Rede und Antwort. Die Sitzung selber dauerte rund viereinhalb Stunden und fand hinter verschlossenen Türen statt.

9.9.
Seit 9. September liegen der Investmentbank Morgan Stanley die unverbindlichen Kaufangebote für die BAWAG P.S.K. vor. Der Datenraum soll den Interessenten Anfang Oktober geöffnet werden. Bis Ende 2006 soll die gewerkschaftseigene Bank veräußert werden. 30 Prozent von jener Verkaufssumme, die 1,8 Mrd. Euro übersteigt, soll - gedeckelt mit 200 Mio. Dollar - an die amerikanischen Refco-Gläubiger gehen.

14.9.
Am 14 September wird Ex-BAWAG-GD Elsner wegen " Fluchtgefahr" in seiner auf einen Wert von 3 Mio. Euro geschätzten Villa bei Mougins in Südfrankreich festgenommen. Zuletzt war Elsner mit Hinweis auf gesundheitliche Probleme nicht zu Vernehmungen in Wien erschienen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.