Derzeit gibt es 8.663 Häftlinge. Die Kapazitäten sind zu 96 Prozent ausgeschöpft.
Zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des "Haftentlastungspakets" sind die österreichischen Gefängnisse wieder beinahe voll. Mit Stand Ende Juni gab es exakt 8.663 Häftlinge - um 300 mehr als im Jahresdurchschnitt 2009. Die Kapazitäten der Justiz sind damit zu 96 Prozent ausgeschöpft. Die Strafvollzugsdirektion rechnet auch damit, dass die Häftlingszahlen weiter "sukzessive wieder nach oben gehen". Dass der ab September geplante elektronisch überwachte Hausarrest ("elektronische Fußfessel") eine Entlastung bei den anhaltend hohen U-Haft-Zahlen bringen könnte, glaubt der Kriminalsoziologe Arno Pilgram nicht.
Das Anfang 2008 in Kraft getretene "Haftentlastungspaket" hat die Zahl der Häftlinge stark reduziert: Von einem Höchststand von 8.944 im Jahresschnitt 2007 auf 8.242,3 im Jahr 2008 und 8.367 2009. Ausschlaggebend war (neben einem nur kürzfristigen Einbruch bei der Untersuchungshaft 2008) die deutlich erleichterte bedingte Entlassung. Damit sank die Zahl der Strafhäftlinge 2008 schlagartig um rund 400 und im Jahr darauf noch einmal um über 100 (siehe Tabelle).
Bedingte Entlassungen ausgeweitet
Konkret wurde mit dem
Haftentlastungspaket die bis dato mögliche bedingte Entlassung nach zwei
Drittel der Strafdauer vorverlegt. Stattdessen erfolgt sie nun schon nach
halber Haftdauer, wenn für den Häftling eine günstige persönliche Prognose
vorliegt (wenn also zu erwarten ist, "dass der Verurteilte durch die
bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe
von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird"). Außerdem wurde die
bedingte Entlassung grundsätzlich erleichtert: die "Generalprävention" (also
die abschreckende Wirkung der Strafdauer auf mögliche andere Täter) muss nur
mehr in Ausnahmefällen berücksichtigt werden.
Die bedingten Entlassungen wurden damit massiv ausgeweitet: Im Vorjahr kam mehr als die Hälfte der Entlassenen vor Ablauf der Strafe bedingt auf freien Fuß, davon 21,5 Prozent nach Verbüßung der halben Strafdauer. In weiteren 29 Prozent erfolgte die bedingte Entlassung auf Beschluss des zuständigen Straflandesgerichts, fast 38 Prozent der Gefangenen mussten ihre Strafe bis zum letzten Tag absitzen, wie aus den Zahlen der Vollzugsdirektion hervorgeht.
44 Prozent Ausländer
Dennoch ist die Zahl der Häftlinge im
ersten Halbjahr wieder angestiegen - und zwar sowohl in der Straf- als auch
in der Untersuchungshaft. Demnach saßen mit 30. Juni genau 8.663 Personen im
Gefängnis, womit die vorhandenen Haftplätze zu 96 Prozent ausgeschöpft
waren. Allein 2.057 Gefangene warteten in U-Haft auf ihren Prozess. Hier ist
der Ausländeranteil mit fast zwei Drittel traditionell besonders groß (weil
häufig Fluchtgefahr angenommen und somit U-Haft verhängt wird). In Strafhaft
befanden sich 5.673 Personen (davon etwa 44 Prozent Ausländer).
An der mangelnden Nachhaltigkeit des Haftentlastungspakets liegt der Anstieg der Häftlingszahlen laut Pilgram allerdings nicht. Vielmehr sei die bedingte Entlassung der Häftlinge mittlerweile zur "Regelform" geworden, auch die Bewährungshilfe werde vermehrt eingeschaltet. Der Kriminalsoziologe führt die steigenden Häftlingszahlen eher auf den anhaltenden "Nachschub" an Verurteilten zurück. Wenig zuversichtlich ist Pilgram, was die Hoffnung betrifft, die U-Haft-Zahlen durch die ab Herbst geplante elektronische Fußfessel zu reduzieren. Hier sei eher zu befürchten, "dass die U-Haft bleibt und (mit der Fußfessel, Anm.) noch etwas dazu kommt, wo andernfalls gar nichts passiert wäre".