Nächstes Prestigeprojekt gestorben

Gericht kippt türkis-blaue Sozialhilfe

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Nach dem Überwachungspaket hat der Verfassungsgerichtshof die Mindestsicherung gekippt.

Im Verfassungsgerichtshof auf der Wiener Freyung geht es Schlag auf Schlag: Erst vergangene Woche haben die höchsten Richter Teile des Überwachungspakets aufgehoben, das ÖVP und FPÖ 2018 beschlossen hatten. Am Dienstag der nächste Knaller: Auch die neue Sozialhilfe – das Prestigeprojekt der türkis-blauen Koalition – ist verfassungswidrig. Die 13 Verfassungsrichter hoben ausgerechnet jene Punkte auf, mit denen ÖVP und FPÖ Migranten die Sozialhilfe kürzen wollten:

■ Mehrkind-Familien: Erhält man für ein Kind 221 Euro, so sind es für das zweite 133 und für das dritte nur noch 44 Euro im Monat. Damit wollte man eine Kürzung bei kinderreichen Zuwandererfamilien erreichen. Rechtswidrig, sagt der VfGH. Das könne dazu führen, „dass der notwendige Lebensunterhalt bei Mehrkind-Familien nicht mehr gewährleistet ist“. Gegen die Sätze von Erwachsenen (885 Euro für Einzelpersonen. 1.240 für Ehepaare) haben die Richter indes nichts auszusetzen.

■ Sprachkenntnisse: Allerdings: Die Regelung für Zuwanderer kippten die Richter ebenfalls. So sollten nur jene Zuwanderer die volle Sozialhilfe von 885 Euro erhalten, die sehr gute Sprachkenntnisse in Deutsch (Niveau C1) oder gute Kenntnisse in Englisch (B1) haben – alle anderen nur 575 Euro. Die Regelung sei „unsachlich“, so die Richter. Die Folge: Zuwanderer und Österreicher bekommen künftig gleich viel Sozialhilfe.

Video zum Thema: "Sozialhilfe neu" teilweise verfassungswidrig

Allerdings haben bereits zwei Länder – Ober- und Niederösterreich – das Bundesgesetz vollzogen. Und vor allem in Linz denkt die ÖVP-FPÖ-­Koalition nicht ohne Weiteres daran, die Aufhebung gleich durchzuziehen. Sie fordert jetzt ein neues Gesetz vom Bund. Ändern sich die beiden Landesgesetze nicht, ist eine Klagsflut zu erwarten – ebenfalls beim Verfassungsgerichtshof.

ÖVP: Kein Thema bei Poker um Türkis-Grün

Die Reaktion der ÖVP zum vernichtenden VfGH-Urteil ist eher dürr: „Wir können das nicht nachvollziehen – nehmen es aber zur Kenntnis“, erklärte Klubchef August Wöginger kurz angebunden.

Doch was bedeutet das für die Koalitionsverhandlung, bei denen die Grünen ja vor allem an der Kürzungen für Mehrkindfamilien (siehe links) stießen? Dieser Punkt ist jetzt vom Tisch, ÖSTERREICH erfuhr aus der ÖVP, dass die türkisen Verhandler nicht daran denken, ihre ursprünglichen Kürzungspläne in die Gespräche mit den Grünen einzubringen. Damit wäre ein großer Streitpunkt gelöst. Allerdings: Das von den Grünen als Ausgleich forcierte Paket gegen Kinderarmut komme allerdings ebenfalls nicht.

Politik-Experte Thomas Hofer sieht indes die Verhandlungen durch das VfGH-Erkenntnis verkompliziert; „Irgendwas muss die ÖVP ihren Wählern jetzt bieten“, meint er. (gü)

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