Von der Bundesregierung erteilte Raucherlaubnis in der Gastronomie soll gekippt werden.
Wien lässt das Rauchergesetz von den Höchstrichtern prüfen: Umweltstadträtin Ulli Sima und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) haben am Montag in einer Pressekonferenz den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) angekündigt. Damit soll die von der Bundesregierung erteilte Raucherlaubnis in der Gastronomie gekippt werden.
Regierung machte Rauch-Verbot rückgängig
ÖVP und FPÖ hatten im Nationalrat das eigentlich ab dem 1. Mai geltende Rauchverbot rückgängig gemacht. Seither darf unter bestimmten Voraussetzungen in Lokalen weiter gequalmt werden.
Experte: "Es geht um den Schutz des Personals"
Gelingen soll der Anti-Raucher-Coup ausgerechnet über die von der FPÖ viel zitierte „Wahlfreiheit“, wegen der man den Rauchern das öffentliche Qualmen wieder gestattete. „Passivraucher haben diese Wahlfreiheit aber nicht“, erklärte Sima vor wenigen Wochen zu diesem Thema. Dazu würden etwa Angestellte in der Gastronomie gehören. Auch Kinder und Jugendliche seien betroffen.
"Verfassungsrechtliche Bedenken"
Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk – er war am Montag anwesend, als Sima und Hacker ihren Rauchverbots-Plan vorstellten – hat ebenfalls „massive verfassungsrechtliche Bedenken“ geäußert. Denn die Wahlfreiheit ende dort, wo andere dadurch betroffen oder gefährdet würden: „Im Kern geht es um den Schutz des Personals.“
Die Möglichkeit direkt den Verfassungsgerichtshof anzurufen, haben entweder ein Bundesland – also Wien – oder ein Drittel der Mitglieder des Nationalrats. Als „nicht sehr zielführend“ erachtete Funk hingegen die dritte Option, nämlich über eine betroffene Person den Rechtsweg zu beschreiten.
Wirte sauer
Rechtssicherheit gefordert
Auf Seite 2 finden Sie eine Chronologie zur Rauchverbots-Diskussion.
Rauchverbots-Diskussion: Eine Chronologie
Das ab Mai 2018 vorgesehene Rauchverbot in der Gastronomie wurde von der ÖVP-FPÖ-Regierung abgesagt. Die Ärztekammer hat dagegen ein Volksbegehren eingeleitet. Und die Stadt Wien geht nun vor den Verfassungsgerichtshof, um ein Rauchverbot einzuklagen. Seit einem Viertel Jahrhundert wird in Österreich über dieses Thema diskutiert:
6. September 1992: Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler (SPÖ) präsentiert in der ORF-"Pressestunde" mehrere Vorhaben gegen das Rauchen. In der Gastronomie sollen demnach Nichtraucherzonen geschaffen werden.
12. August 2004: Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) und der Obmann der Gastronomiesparte in der Wirtschaftskammer, Helmut Hinterleitner, geben die Einführung einer freiwillige Selbstverpflichtung bekannt: 30 Prozent der heimischen Speiselokale sollen bis Ende 2004 "rauchfreie Zonen" einrichten, bis Ende 2006 soll der Anteil auf 90 Prozent gesteigert werden.
18. April 2007: Das Gesundheitsministerium unter Andrea Kdolsky (ÖVP) kündigt nach Evaluierung der freiwilligen Selbstverpflichtung für die räumliche Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauchern eine gesetzliche Regelung an.
31. Oktober 2007: Das Vorhaben, mit 1. Jänner 2008 das Tabakgesetz zu verschärfen, scheitert. Es gibt keine Einigung zwischen ÖVP und SPÖ, Kdolsky verzichtet vorläufig auf ein Gesetz. Eine sechsmonatige Nachdenkpause wird vereinbart.
30. April 2008: Die Koalition unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) präsentiert im Ministerrat ihre Bestimmungen zum Nichtraucherschutz. Demnach soll ab 2009 ein grundsätzliches Rauchverbot in der Gastronomie gelten, unter bestimmten Voraussetzungen ist das Rauchen in abgeschlossenen Zimmern aber gestattet.
1. Jänner 2009: Mit dem Tabakgesetz tritt ein "grundsätzliches" Rauchverbot in Lokalen in Kraft. Ausnahmen gibt es allerdings für abgetrennte Raucherzimmer, kleine Gaststätten und Betriebe, die wegen der neuen Regelung einen Umbau durchführen.
30. Juni 2010: Die Übergangsfrist für Umbauarbeiten und Sondergenehmigungen ist zu Ende. Somit dürfen Gastronomen Tabakkonsum nur mehr dann erlauben, wenn sie über abgetrennte Raucherzimmer verfügen oder die gesamte Verabreichungsfläche nicht größer als 50 Quadratmeter ist.
10. April 2015: Die Regierung einigt sich auf ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) präsentieren den entsprechenden Gesetzesentwurf. Betriebe, die freiwillig bereits bis zum Juli 2016 auf rauchfrei umstellen, können als besonderen Anreiz eine "Prämie" in Höhe des Restbuchwerts erhalten.
10. Oktober 2017: Vor der Nationalratswahl werden innerhalb der FPÖ Stimmen gegen das absolute Rauchverbot laut. Man würde sich bei Koalitionsverhandlungen dafür einsetzen, dass das derzeit geltende Gesetz nicht verändert wird.
11. Dezember 2017: ÖVP und FPÖ einigen sich bei den Regierungsverhandlungen auf eine Raucherregelung nach "Berliner Modell". Das ab Mai 2018 ursprünglich geplante absolute Rauchverbot in der Gastronomie kommt demnach nicht. Gäste können weiter in abgetrennten Räumlichkeiten Zigaretten konsumieren. Zugleich wird der Nichtraucherschutz für Jugendliche verstärkt.
2. Februar 2018: Die Ärztekammer meldet ihr Volksbegehren an, um das Rauchverbot in der Gastronomie doch durchzusetzen. Bis zur im April zu Ende gehenden sechswöchigen Unterstützungsphase werden bereits 591.146 Stimmen gesammelt. Als Eintragungswoche für das Begehren selbst wird schließlich der 1. bis 8. Oktober festgelegt.
4. Juni 2018: Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) kündigt in einer Pressekonferenz den Gang vor den Verfassungsgerichtshof an. Die jetzige Regelung würde nicht funktionieren, das würden Messungen und Kontrollen belegen.