Kahr unerwünscht

Jüdische Gemeinde Graz lädt KPÖ von Gedenkfeier aus

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Präsident Rosen lud Bürgermeisterin Kahr und KPÖ-Mandatare von den Gedenkfeierlichkeiten anlässlich der Novemberpogrome 1938 aus.

Der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz und Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg, Elie Rosen, hat die kommunistische Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr sowie die Gemeinderats-Mandatarinnen und Mandatare der KPÖ von der Gedenkfeier zum 85. Jahrestags der Novemberpogrome 1938 ausgeladen. Rosen kritisierte die "über die Jahre hindurch gefestigte, unmissverständliche Positionierung der Grazer KPÖ gegenüber dem jüdischen Staat".

Die KPÖ reagierte am Nationalfeiertag mit Bedauern und ausführlicher Gegendarstellung.

Brüskierung für Grazer Juden

Er müsse aufgrund diverser Wortmeldungen und langjährig vertretener Positionen der KPÖ davon ausgehen, dass eine Teilnahme von Kahr sowie von Mandatarinnen und Mandataren der Grazer KPÖ an den Gedenkfeierlichkeiten am 8. November sowohl von einem Gros der Gemeindemitglieder wie auch Gästen als Brüskierung empfunden werde, erklärte Rosen. Er ersuche die Bürgermeisterin und die KPÖ-Mandatare daher, den Feierlichkeiten nicht beizuwohnen, teilte der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz am Donnerstag in einer Aussendung bzw. einem Mail an die KPÖ mit.

"Entweder ein Fantast oder selbstgefällig"

Neben meist muslimischem Antisemitismus sei es vor allem der bei der politischen Linken vorzufindende "israel-orientierte" Antisemitismus, der Jüdinnen und Juden in Österreich besonders zusetze, teilte die Jüdische Gemeinde Graz mit. Als Israel-Kritik getarnt, trage er das Postulat vor sich, dass "von seiner Dämonisierung Israels die Juden der Diaspora in keinster Weise betroffen" seien, so Rosen. Die immer schwierigere Sicherheitssituation jüdischer Einrichtungen in Europa spreche aber eine deutlich andere Sprache. "In Zeiten wie diesen zeige sich gelebte Solidarität nicht in Plattitüden, 'Vertragt Euch'-Sagern, oder dem Aufruf zum Wohlverhalten. Wer meint, allein mit der Teilnahme an einer Friedensdemonstration in fernen Landen Frieden schaffen zu können, sei entweder ein Fantast, oder selbstgefällig", schrieb der Präsident.

Scharfe Kritik an Kommunisten

Rosen stieß sich an der Formulierung einer KPÖ-Gemeinderätin in der steirischen Wochenzeitung "Die Woche" von 25. Oktober. "Wer in Israel und der Hamas gleichwertige Partner, ja gar 'Bürgerkriegsparteien', zu erkennen vermeine, verkenne nicht nur das Völkerrecht, sondern setze einen demokratischen Staat, in dem die Geschlechter gleichberechtigt zu leben vermögen, Schwulen, Lesben und Transgender öffentliche Akzeptanz erfahren würden, auch arabische Parteien selbstverständlich in der Knesset vertreten seien oder alle Konfessionen sich frei entfalten könnten, unappetitlichst mit einer Terrororganisation gleich", heißt es in seiner Aussendung.

In Europa müsse keine Moschee, keine Kirche vor Juden oder Israelis bewacht werden, kein Palästinenser vor Israelis oder Juden. Umgekehrt seien Synagogen und jüdische Einrichtungen seit Jahrzehnten erklärte Ziele von vom Hass auf Israel getriebenen Fanatikern. Das habe er bei den Anschlägen auf die Grazer Synagoge 2020 am eigenen Leibe verspüren müssen, schrieb Rosen.

Auch fänden regelmäßig im Volkshaus der KPÖ propalästinensische Vortrags-Veranstaltungen mit als notorisch antiisraelisch bekannten Gästen statt. Auch die Diskussion ob des Hissens der Fahne des Staates Israel auf dem Grazer Rathaus, vor allem aber die Form und Art der Anbringung bzw. ihrer schnellen Abnahme sprächen eine klare, teils beleidigende Sprache, erklärte Rosen.

Das sagt KPÖ-Bürgermeisterin Kahr

Kahr reagierte mit einer ausführlichen Stellungnahme: "Wir respektieren den Schritt des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, obwohl wir ihn nicht verstehen. Unsere jahrzehntelange enge Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinde und ihren Mitgliedern ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern." Es stehe jeder Organisation frei, wen sie einlade und wen nicht. "Unserer Meinung nach aber treffen die Vorwürfe in keinster Weise zu, mit denen Elie Rosen die Ausladung der KPÖ-Mandatare begründet hat", meinte Kahr.

Für die KPÖ sei die Erinnerung an die Pogromnacht des 9. November 1938 seit jeher ein wichtiger Gedenktag. "Wir denken an das Leid unserer jüdischen MitbürgerInnen, an die zerstörten Synagogen und an die Folgen, die zum industrialisierten Massenmord in den Vernichtungslagern der Nazis führten." Man erinnere auch daran, dass Kommunisten damals an der Seite der Verfolgten gestanden seien. Deshalb wurde auch der frühere steirische KPÖ-Landesobmann Franz Leitner von der Gedenkstätte Yad Vashem zum Gerechten der Völker ernannt, weil er im KZ Buchenwald jüdische Kinder versteckte und so ihr Überleben sicherte.

Im Jahr 2023 sei dieses Gedenken auch verbunden mit einer "klaren und eindeutigen Verurteilung des terroristischen Massakers der Hamas, des Massenmords an Jüdinnen und Juden vor kaum einem Monat in Israel. Niemand weiß, wie sich die Ereignisse in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln werden", so Kahr. In der Erklärung der Stadt Graz, die einstimmig angenommen wurde, heiße es klar und deutlich: "Niemand ist berechtigt, dem Staat Israel das Existenzrecht abzusprechen, mit dessen Bevölkerung wir uns solidarisch erklären."

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