Vor dem Abflug zur Klimakonferenz in Brasilien betont Umweltminister Totschnig den europäischen Beitrag zum Klimaschutz. Die Einigung auf neue Reduktionsziele sieht er als Erfolg. Beim Thema Regenwald-Fonds kündigte Totschnig keine finanzielle Beteiligung an.
Wien/Belem - Es war ein Interview mit vielen Schlaglichtern - und noch mehr offenen Baustellen. Klima- und Umweltschutzminister Norbert Totschnig (ÖVP) verteidigt kurz vor der Weltklimakonferenz in Brasilien den umstrittenen EU-Klimakompromiss als "Durchbruch". Gleichzeitig gesteht er ein: Österreichs Klimagesetz bleibt weiter liegen. Und beim internationalen Regenwald-Fonds bleibt die Regierung auf Tauchstation - "Geldmäßig werden wir uns nicht beteiligen", so der Minister in der ZIB2.
EU unter Druck, Kompromiss mit Wirtschaft
Totschnig hält dem Vorwurf, die EU reise mit verwässerten Klimazielen nach Belem, entgegen: "Der europäische Klimaschutz hatte ein Rendezvous mit der wirtschaftlichen Realität." China drücke, die USA schotten sich ab - Europa dürfe beim Klimaschutz nicht die eigene Wettbewerbsfähigkeit ruinieren. Die Einigung auf minus 90 Prozent Treibhausgase bis 2040 sei aus seiner Sicht ein Erfolg.
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Kritik am Zertifikatehandel - also dem "Einkaufen von Klimaschutz" im Ausland - wies er zurück. "Klimaschutz hat keine Grenzen", so Totschnig. Es brauche Investitionen auch außerhalb der EU, wenn man global Wirkung erzielen wolle.
Gratiszertifikate als Industrie-Schonung
Dass Österreich die Industrie beim Umstieg auf grüne Technologien weiter mit Gratiszertifikaten stützen will, erklärte der Minister so: "Es macht keinen Sinn, Milliarden für Zertifikate zu zahlen. Wir wollen, dass die Industrie in Österreich investiert." Das sei Voraussetzung für grünes Wachstum - genauso wie günstige, erneuerbare Energie.
Klimagesetz? Immer noch nichts!
Brisant wurde es beim Thema Klimagesetz. Trotz mehrfacher Ankündigungen fehlt noch immer ein Entwurf. "Es gibt offene Punkte", so Totschnig ausweichend. Die Koordinierung laufe, man wolle jetzt mit den Regierungsmitgliedern sprechen. Warum seit Monaten Stillstand herrscht? Der Minister verweist auf die wirtschaftlich schwierige Lage - und bleibt vage.
Keine Millionen für den Regenwald
Totschnig selbst reist kommende Woche zur Weltklimakonferenz nach Brasilien. Eine finanzielle Beteiligung Österreichs am internationalen Regenwald-Fonds wird es aber nicht geben. Die Bundesregierung werde den Fonds zwar "unterstützen" - allerdings ohne Geld. "Es gibt eine Zusage von uns. Geldmäßig werden wir uns nicht beteiligen", sagte Totschnig klar.
Europa reduziert - BRICS blockieren?
Totschnig betonte die Rolle Europas als Vorreiter. Die EU werde mit einer Reduktionsspanne von 66 bis 72 Prozent zur Konferenz fahren. Im Gegenzug fordert er mehr Engagement von den BRICS-Staaten: "Brasilien, China, Russland, Indien und Südafrika emittieren über 40 Prozent der Treibhausgase weltweit - Europa 6 Prozent."
Totschnig zur Causa Wöginger: "Stehen hinter ihm"
Am Ende des Interviews wurde es politisch heikel. Auf die Frage zur Postenschacher-Causa rund August Wöginger reagierte Totschnig mit demonstrativer Rückendeckung. "Wir vertrauen darauf, dass das im Sinne von Klaus Wöginger ausgeht2, sagte er. Der Klubobmann der ÖVP genieße hohes Ansehen und mache hervorragende Arbeit. Ob er im Amt bleibe oder nicht, sei nicht Sache des Gerichts, sondern der Partei.
Moderatorin Margit Laufer erinnerte daran, dass es bereits eine Diversion gegeben habe. Totschnig beharrte trotzdem darauf, man müsse nun den weiteren Verlauf abwarten. "Das Bild ist, wie es ist. Es ist bei Gericht, es ist jetzt noch offen, wie das ausgeht", sagte er. Wöginger sei ein wichtiger Teamplayer für die Koalition und habe sein volles Vertrauen. Die über 40.000 Euro Strafe für mutmaßlichen Postenschacher kommentierte er nicht weiter. "Wir stehen hinter ihm", sagte Totschnig.