FPÖ und ÖVP misstrauen einander - massiver Streit um Ministerposten.
Rapport. Donnerstag, kurz vor 14 Uhr, war es soweit: Mit einer mittelgroßen Entourage und zwei Autos fuhr Herbert Kickl bei der Hofburg vor. Das etwas mehr als einstündige Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen war brisant. Standen doch die Verhandlungen von FPÖ und ÖVP über eine Koalition auf des Messers Schneide.
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Entmachtung der ÖVP. Worum ging’s? Kickl hatte seinem ÖVP-Gegenüber Christian Stocker am Dienstag zwar vorgeschlagen, dass die ÖVP mehr Ressorts als die Blauen stellen – in Wahrheit geht es aber um eine Entmachtung der ÖVP: Kickl beharrte nicht nur auf das Finanz- und das Innenministerium. Dazu sollen die EU-Kompetenzen sowie die Medienangelegenheiten im Kanzleramt - also bei Kickl – gebündelt werden.
Inneres und Europa. Vor allem zwei Punkte sind für die Schwarzen ein No-Go: Auf das Innenministerium pocht Stocker mit dem Argument, dass Kickl 2019 den Verfassungsschutz zerschlagen habe. Auch die EU-Kompetenzen wollen die Schwarzen nicht aus der Hand geben.
Streit um angebliches Kompromissangebot
Stocker hatte Kickl diese Position noch am Dienstag mitgeteilt, bei den Schwarzen sah man das als Kompromissangebot – auch wenn danach Funkstille zwischen den Parteichefs herrschte. Die FPÖ soll also Finanzen und Medien bekommen, die ÖVP Inneres und die Polizei. Allerdings hatte der FPÖ-Chef am Mittwoch auf Facebook erneut auf die strittigen Kompetenzen beharrt und sich einbetoniert. Bei den Blauen dementierte man zudem überhaupt, einen Gegenvorschlag erhalten zu haben. Dass von einem formellen Angebot die Rede war, sorgte für Ärger.
ÖVP wollte Kickl nicht anrufen
Bei der ÖVP sah man den Ball jedenfalls beim FPÖ-Chef liegen: „Wir haben ihm unsere Position mitgeteilt – jetzt ist er am Zug.“ Stocker wartete auf einen Anruf des FPÖ-Chefs. Und der kam gegen 16 Uhr dann auch. Kickl ließ danach verlauten: "Die auf Chefverhandlerebene zuletzt unterbrochenen Gespräche mit der Österreichischen Volkspartei zur Bildung einer Bundesregierung werden ehebaldigst fortgesetzt."
Allein: das Patt im Ministerstreit blieb. Und als Hauptgrund für die Verhandlungsfortsetzung gilt ohnehin längst, dass keine der beiden Parteien am Scheitern des Koalitionspokers schuld sein will, indem sie vom Verhandlungstisch aufsteht. Am Freitag könnte jedenfalls weiterverhandelt werden – möglicherweise über das gesamte Wochenende.