Regierung habe ein freiheitliches Gesicht "mit ein wenig türkiser oder schwarzer Schminke"
Der ehemalige Salzburger Landhauptmann-Stellvertreter Arno Gasteiger ist aus Protest gegen die ÖVP-Bundespartei unter Kanzler Sebastian Kurz aus der Volkspartei ausgetreten. Er hat vor einigen Tagen nach 47 Jahren Mitgliedschaft beim Wirtschaftsbund seine Parteizugehörigkeit beendet, wie die "Salzburger Nachrichten" (SN) und die "Krone" in ihren Ausgaben von heute, Mittwoch, berichteten.
Rechtspopulistische Bewegung
In einem Schreiben an den Landesobmann des Salzburger Wirtschaftsbundes, Konrad Steindl, nannte Gasteiger mehrere Gründe für seinen Schritt. "Die Volkspartei war eine demokratische Partei der politischen Mitte. Unter Kurz ist sie zu einer rechtspopulistischen Bewegung geworden." Die inhaltliche Ausrichtung der von Kurz geführten Bundesregierung werde von der FPÖ dominiert. Die Regierung habe ein freiheitliches Gesicht "mit ein wenig türkiser oder schwarzer Schminke", zitierten die "Salzburger Nachrichten" aus dem Abschiedsbrief.
Kurz setze in Übereinstimmung mit der FPÖ auf die Mobilisierung von Stimmung gegen Flüchtlinge, Migranten und Ausländer. "Schon im Wahlkampf entstand der Eindruck, Kurz betrachte Flüchtlinge quasi ,als verdorbene Ware, die umgehend an den Absender zurückzuschicken ist'. Bei großen Teilen der FPÖ ist Nationalismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit genetisch verankert. Für Kurz & Co. ist Ausländerfeindlichkeit die opportunistische Option für politischen Erfolg", schrieb Gasteiger. Er nannte als Beispiel dafür die Haltung der Regierung zum Migrationspakt.
FPÖ-Ressorts
Eine weitere Kritik Gasteigers zielt auf die FPÖ-Ressorts ab. "Kurz hat bei der Regierungsbildung den gesamten Sicherheitsapparat, Polizei, Militär und alle Sicherheitsdienste, der äußeren Rechten ausgeliefert." Auch die Bildungspolitik führt Gasteiger als Grund an. Hier werde nach dem Prinzip "wir finden die Zukunft in der Vergangenheit" und "politisches Diktat statt wissenschaftlicher Vorbereitung" vorgegangen.
Schließlich kritisierte der frühere Politiker das "Selbstverständnis von Kurz in der Sozialpolitik". Das zeige sich deutlich beim Kinderbonus. "Gutverdienern werden 1.500 Euro von der Steuer nachgelassen - das ist im Hochsteuerland Österreich sehr positiv. Arme Alleinerziehende erhalten über die Reduktion des Arbeitslosenversicherungsbeitrags 250 Euro im Jahr zusätzlich. Diejenigen, die am meisten brauchen, erhalten wenig. ,Gib den Wohlhabenden und halte die Armen Kurz'", meinte Gasteiger. Für Ausländer mit schlechten Deutschkenntnissen solle die Mindestsicherung um 300 Euro gekürzt werden. "Haben diese weniger Hunger als solche, die gut deutsch sprechen, zahlen sie weniger für Miete?"
Scharfe Kritik
Ein Dorn im Auge ist Gasteiger der Umgang mit Kritik in der Partei. Die Volkspartei vor Sebastian Kurz habe zu viele Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit ausgetragen. "Jetzt ist sie in das andere Extrem verfallen und zu einem Kurz-Anbetungsverein geworden." Bedenken würden mit Hinweis auf Meinungsumfragen zurückgewiesen. Gasteiger wies daraufhin, dass sich die Kritik nicht an den Salzburger Wirtschaftsbund richte. Sein Austritt dort sei aber die einzige Möglichkeit, um seine Mitgliedschaft bei der Österreichischen Volkspartei zu beenden.
Der Parteigeschäftsführer der Salzburger Volkspartei, Wolfgang Mayer, sagte am Mittwoch zur APA, man nehme den Parteiaustritt Gasteigers mit Bedauern zur Kenntnis. "Wir möchten sein Schreiben aber auch nicht überbewerten. Die Zusammenarbeit mit der Bundespartei ist so gut wie lange nicht." Seit Sebastian Kurz Parteiobmann sei, verzeichne man erstmals in der jüngeren Parteiengeschichte "konstant und messbar" Netto-Zuwächse bei den Parteieintritten. So seien in Salzburg nach einer Mitgliederwerbeaktion seit vergangenem September etwa 564 Personen neu in die Partei eingetreten. "Das ist ein außergewöhnlicher Wert", betonte Mayer.
Franz Schausberger, Landeshauptmann von Salzburg in der politisch aktiven Zeit Gasteigers, kritisierte seinen früheren Kollegen gegenüber den SN hingegen scharf: "Diese Attacke ist ganz im Stile der Uralt-ÖVP, in der die Parteiobmänner in erster Linie von den eigenen Leuten angegriffen worden sind. Das hat dann dazu geführt, dass die ÖVP bei 20 Prozent gelandet ist."