ÖSTERREICH-Interview

Kurz: "Milchbubi, das stört mich nicht"

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Der neue Staatssekretär spricht über Ausländer und Strache.

Es gab Grasser, Androsch – aber so jung wie Sebastian Kurz kam noch keiner in die Politik: Der neue Integrationsstaats­sekretär ist gerade 24, noch mitten im Studium (im zweiten Abschnitt Jus) und auf den ersten Blick für viele Medien ein „Milchbubi“.
In Wahrheit ist Sebastian Kurz durchaus ein politischer Profi – er ist Chef der Jungen ÖVP, die in der Partei eine nicht unwichtige Rolle hat, und saß zuletzt sogar im Wiener Landtag.

„Schwarz macht geil“
Im letzten Wiener Wahlkampf war Kurz der Show-Kasperl der Wiener ÖVP. Zuerst erfand er die 24-Stunden-Nacht-U-Bahn und, als die Medien seine Idee nicht aufgriffen, dazu den Slogan: „24 Stunden Verkehr“. Kurz: „Plötzlich hatte ich jede Menge Presse!“ So viel, dass ihm Bürgermeister Häupl die Idee kurz vor der Wahl per Volksbefragung „klaute“.

Dann stieg Kurz voll in den Wiener Wahlkampf ein. Zuerst erfand er ein „Geil-o-mobil“, mit dem er durch die Stadt tourte, danach kreierte er den Slogan „Schwarz macht geil!“. Der Wahlkampf wurde ein Super-Flop, die ÖVP stürzte dramatisch ab, doch Kurz schaffte es in den Gemeinderat – am Einzug ins Parlament scheiterte er.

Seine Rolle in der Partei wurde als Chef der Jungen ÖVP immer wichtiger. Seine vehementeste Forderung war ein eigenes Staatssekretariat für Integration.
Der neue ÖVP-Chef ­Michael Spindelegger, der Kurz für „das größte politische Talent“ in der Partei hält, bot ihm den Job kurzerhand selber an.
Seither ist Kurz der größte Aufreger in der Politik.

Letzte Woche hatte er von allen Politikern im Land die meiste Presse.

Interview mit Sebastian Kurz auf Seite 2 >>

ÖSTERREICH: Wie war Ihr erster Arbeitstag in der Regierung?
Sebastian KURZ: Arbeits­intensiv. Aufstehen um 5.30 Uhr, ins Bett nach 1 Uhr. Aber ich finde das schön. Ich habe jetzt die Chance, wirklich etwas zu bewegen mit meinem Einsatz – und das ist wunderschön. Ein sehr gutes Gefühl.
ÖSTERREICH: Wie ist es Ihnen am ersten Morgen ergangen, als Sie all die Kritik und den Spott in den Zeitungen gelesen haben?
KURZ: Ich war von Beginn an gefasst darauf, dass es kräftigen Gegenwind geben wird. Mir war klar, dass die Idee der ÖVP, ein Integrationsressort zu schaffen, für viel mediale Aufregung sorgen wird. Ich finde das positiv, dass ich so viel Aufmerksamkeit in den Medien habe.
ÖSTERREICH: Und dass Sie jetzt durch ein Medien-Fegefeuer gehen müssen, als Milchbubi bezeichnet werden …
KURZ: … stört mich überhaupt nicht. Das nehm’ ich locker – g’hört zum G’schäft dazu.
ÖSTERREICH: Es stört Sie nicht, wenn Sie in den Medien verspottet werden?
KURZ: Ich hatte gar nicht Zeit, alle Zeitungen zu lesen. Ich lese ÖSTERREICH – und das fand ich fair. Ich bin bester Dinge im Moment.
ÖSTERREICH: Als Ihnen VP-Chef Spindelegger den Job angeboten hat, haben Sie da je überlegt: Das schaffe ich nicht?
KURZ: Nein, ich wollte lieber wissen: Welchen Freiraum hab’ ich? Wie groß ist meine Gestaltungsmöglichkeit? Wie unabhängig bin ich? Die Her­ausforderung ist natürlich eine große, und ich gehe sie mit größtem Respekt an, aber mein Motto ist: Man soll nie an sich selbst zweifeln, sich nicht beirren lassen, sondern ein Ziel haben.
ÖSTERREICH: Sie sind zur Angelobung ohne Krawatte erschienen. Fauxpas oder Absicht?
KURZ: Ich bin bis jetzt sehr gut ohne Krawatte durchs Leben gekommen, und ich habe nicht vor, in meinem neuen Job eine Krawatte zu tragen. Ich möchte für diesen Job einen neuen, jungen Zugang wählen. Und dafür brauch’ ich keine Krawatte.
ÖSTERREICH: Sie haben künftig als – mit Verlaub – Milchbubi 15.000 Euro Gehalt im Monat, Dienstwagen, Chauffeur.
KURZ: Ich bin bis jetzt mit der U-Bahn in Wien unterwegs und werde weiter öffentlich ins Büro fahren. Ich wohne in Meidling, fahr’ mit der U4. Ich hab’ gar kein Auto – und für mich braucht niemand einen Dienstwagen oder einen Chauffeur bestellen. Wenn ich für Termine in den Bundesländern ein Auto brauche, nehm’ ich den Poolwagen im Ministerium.
ÖSTERREICH: Und die 15.000 Euro Gage?
KURZ: Deswegen mache ich das nicht – ich bin bis jetzt mit weniger als 1.000 Euro im Monat ausgekommen, die ich mir neben dem Studium dazuverdient habe.
ÖSTERREICH: Sie sind angeblich ein Partytiger?
KURZ: Ich bin, wie jeder junge Mensch, abends gern in Discos. Dafür werd’ ich jetzt leider keine Zeit haben.
ÖSTERREICH: Sind Sie Single?
KURZ: Ich habe eine fixe Freundin, Susanne, lebe mit ihr zusammen. Sie hat Wirtschaftspädagogik studiert und will Lehrerin werden.
ÖSTERREICH: Und Ihr Studium?
KURZ: Ich studiere Jus, habe zwei von drei Abschnitten fertig und habe felsenfest vor, mein Studium nach meiner Phase als Staats­sekretär zu beenden. Ich glaube an Lebensabschnitte. Und eine Lebensplanung von mir war immer, einmal für ein paar Jahre in die Politik zu gehen. Ich wollte immer aktiv gestalten – jetzt hab’ ich die Chance dafür bekommen. Und das betrachte ich als Riesenglück.
ÖSTERREICH: Sie gelten als Show-Kasperl in der Politik mit Ihrem „Geil-o-mobil“.
KURZ: Wahlkampf ist Show. Und als Jungpolitiker wirst du von den Medien nicht wahrgenommen ohne Show. Aber als Staatssekretär, wo ich jede Menge Aufmerksamkeit habe, brauch’ ich die Show nicht. Da will ich in der Sache etwas weiterbringen. Ohne Provokation, ohne Show, mit Inhalten.
ÖSTERREICH: Was wollen Sie verändern als Integrationsstaatssekretär?
KURZ: Ich will ein neues Zusammenleben erreichen. Ich bin in Zukunft für jene 17 Prozent der Österreicher da, die einen Migrationshintergrund haben. Ich will, dass diese 17 Prozent besser integriert sind. Da ist für mich das Wichtigste die Sprache: Je besser jemand Deutsch kann, umso besser funktioniert die Integration. Also muss jeder Zuwanderer die Chance haben, optimal Deutsch zu lernen. Das fängt im Kindergarten an, in den Vereinen, aber auch als Erwachsene.
ÖSTERREICH: Es soll mehr Deutsch geben?
KURZ: Deutsch ist der Schlüssel zur Integration. Mein Ziel ist, dass das künftig jeder Zuwanderer kann.
ÖSTERREICH: Sie wollen ja ­sogar, dass in den Moscheen deutsch gepredigt wird?
KURZ: Ja, aber nicht als Verbot oder Gesetz, sondern freiwillig. Weil Deutsch der Schlüssel zur Integration ist – gerade auch in der Freizeit.
ÖSTERREICH: Haben wir zu viele Ausländer im Land?
KURZ: Das ist – mit Verlaub – eine blöde Frage, weil sie rein populistisch ist. Wir haben Gesetze, viele der Migranten sind hier geboren und Österreicher. Ich will niemand raushauen aus dem Land. Im Gegenteil: Ich will verbinden.
ÖSTERREICH: Ihr politischer Gegner HC Strache sagt, es gibt viel zu viele Ausländer.
KURZ: Der kann leicht Sprüche klopfen, weil er nichts umsetzen muss. Ich finde: Integrationspolitik darf nicht populistisch sein.
ÖSTERREICH: Wie beurteilen Sie den Herrn Strache?
KURZ: Er ist in den Umfragen definitiv gut unterwegs, hat viel Zuspruch, surft auf der Populismuswelle. Aber er wird keinen der Sprüche, die er klopft, umsetzen.
ÖSTERREICH: Sind Sie ein ­Anhänger von Schwarz-Blau, wie viele behaupten?
KURZ: Ich bin ganz vehement gegen jeden Stillstand in der Politik. Das macht mich wahnsinnig. Ich finde es furchtbar, wenn Politik stillsteht. Und in letzter Zeit hatte ich den Eindruck, dass in der Großen Koalition vieles nicht so weitergegangen ist, wie es sollte. Da war Stillstand in der Regierung, und das hat viele gestört …
ÖSTERREICH: Und jetzt?
KURZ: … könnte sich das mit Spindelegger ändern. Er hat ein Wertefundament, eine innere Agenda – er ist jemand, der etwas weiterbringen will, er bringt Dynamik.
ÖSTERREICH: Ihr Wunsch nach Schwarz-Blau bleibt?
KURZ: Ich glaube, es ist in der Politik schlecht, sich Optionen zu verschließen. Man soll niemand ausgrenzen, auch Strache nicht.
ÖSTERREICH: Wäre Schwarz-Grün sympathisch?
KURZ: Mir ist die Koalition am sympathischsten, in der am meisten weitergeht. Wir hatten schon mal Schwarz-Blau – und da ist sehr viel weitergegangen. Aber jetzt geht es darum, in dieser bestehenden Koalition einen Neustart zu schaffen und den Stillstand zu überwinden.
 

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