Nationalratswahl 2019

Rechnungshof zweifelt an Wahlkampf-Abrechnung der ÖVP

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Der Rechnungshof schickt erstmals Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale.

Der Rechnungshof hat am Freitag die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und dabei eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz angezeigt. Unter anderem bezweifeln die Prüfer, dass die Volkspartei die Wahlkampfkosten korrekt abgerechnet hat. Um das zu klären, schickt der Rechnungshof erstmals einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale. Außerdem wertet der Rechnungshof die mit Corona-Hilfsmitteln geförderten Vereine des ÖVP-Seniorenbundes als Teil der ÖVP.

Zwar hat sich der Rechnungshof noch nicht mit den umstrittenen Corona-Förderungen für die ÖVP-Seniorenorganisation befasst - dies wird erst mit den türkisen Finanzberichten 2020 und 2021 erfolgen, heißt es in einer Pressemitteilung am Freitag. Sehr wohl befasst haben sich die Prüfer aber mit der dahinterliegenden Frage, ob die türkis-schwarzen Seniorenorganisation tatsächlich (wie von der ÖVP behauptet) von der Partei unabhängige Vereine sind oder vielmehr ein Teil der ÖVP.

Seniorenbund  

Als Teil der ÖVP hätte der Seniorenbund keine Coronahilfen beziehen dürfen. Und für den Rechnungshof ist klar, dass die Seniorenvereine tatsächlich der ÖVP zuzurechnen sind. Die Prüfer verweisen auf oftmals deckungsgleiche Vereinssitze direkt in der jeweiligen Bundes- oder Landesparteizentrale, auf einschlägige Formulierungen in den Beitrittserklärungen und auf die Selbstbeschreibung des Seniorenbundes aus 2021: "Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Interessensvertretung in einem."

Klären muss die Frage nun der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) im Kanzleramt bzw. in weiterer Folge das Bundesverwaltungsgericht. Ebenfalls beim UPTS angezeigt hat der Rechnungshof die Inseratenaffäre des Vorarlberger Wirtschaftsbundes. Dazu haben die Prüfer die 1,6 Mio. Euro Inserateneinnahmen 2019 mit dem in Aufmachung und Umfang ähnlichen "Gemeindeblatt für die Landeshauptstadt Bregenz" verglichen, wo solche Inserate nur 268.000 Euro erbracht hätten. Die Differenz von 1,3 Mio. Euro hat der Rechnungshof als verdeckte Parteispende an den Senat gemeldet.

Ebenfalls als verdeckte bzw. unzulässige Parteispenden angezeigt wurden Wahlkampfinserate in der "Niederösterreich Zeitung" der ÖVP (64.000 Euro), die Werbung des Landwirtschaftsministeriums für den Bauernbundball (43.200 Euro) sowie zwei vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Umfragen vor der EU-Wahl 2019 (26.208 Euro).

Langwierige Prüfung

Apropos: Dass die ÖVP für die EU-Wahl 2019 mehr Geld ausgegeben haben will, als für den politisch deutlich wichtigeren Nationalratswahlkampf, wollen die Prüfer nicht glauben. Laut ÖVP flossen in die EU-Wahl nämlich 6,9 Mio. Euro und in die Nationalratswahl nur 5,6 Mio. Euro. Außerdem liegen dem Rechnungshof mutmaßlich ÖVP-interne Unterlagen vor, die die Einhaltung der Kostengrenze zweifelhaft erscheinen lassen. Weil die ÖVP Fragen dazu teils unbeantwortet ließ, soll nun ein Wirtschaftsprüfer die Unterlagen der Partei überprüfen. Das Auswahlverfahren wurde am Freitag gestartet.

Die Prüfung der Parteibilanz hat unüblich lange gedauert, denn von September 2020 bis April 2022 hat die ÖVP drei verschiedene Fassungen ihres Rechenschaftsberichts eingereicht. Außerdem löst der Rechenschaftsbericht weitere Prüfungen aus. Unter anderem will der Rechnungshof nämlich untersuchen, ob bei der Betreuung der Social Media Accounts von Regierungsmitglieder zwischen Partei- und Regierungsmitteln unterschieden wird.

Die lange Dauer der Prüfung begründete Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker damit, dass das zugrunde liegende Kontrollverfahren "aufwendig" war, was mehrere Gründe gehabt habe. Zum einen sei Mitte 2019 das Parteiengesetz novelliert worden und habe diverse Verschärfungen gebracht, wie etwa die Einbeziehung der ÖVP-Bünde, wie sie im Gespräch mit der APA erklärte. Zum anderen habe es "viele Vorgänge im Jahr 2019 gegeben, die dazu geführt haben, dass wir die Unterlagen genau angeschaut und mehrmals nachgefragt haben", so Kraker. In der Novelle 2019 seien nämlich Prüf- und Einsichtsrechte in die Parteifinanzen "noch nicht inkludiert" gewesen. Künftig soll der Rechnungshof ja bei einem begründeten Verdacht auf Verletzung des Parteiengesetzes selbst Einsicht in die Bücher bekommen.

Nach der geltenden Regelung bleibe nun aber bei vermuteten Verstößen wie im Fall der Wahlwerbungsausgaben für die Nationalratswahl nur die Möglichkeit, einen Wirtschaftsprüfer einzusetzen, der direkte Einsicht in die Bücher nimmt und die Angaben der Partei überprüft. "Das ist erstmalig so, dass der Rechnungshof das macht", betonte Kraker. Die RH-Präsidentin geht davon aus, dass die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer "sehr rasch" eine Liste von geeigneten Prüfern, bei denen Interessenskonflikte ausgeschlossen sind, übermitteln könne. Daraus werde dann ein Wirtschaftsprüfer per Los bestimmt, der klären soll, ob die Angaben der ÖVP stimmen. Für die RH-Prüfer sei jedenfalls zweifelhaft, dass für die Nationalratswahl deutlich weniger Wahlkampfkosten ausgegeben worden sein sollen als für die EU-Wahl, so Kraker: "Wir lassen und aber gerne davon überzeugen."
 

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