Kanzler rudert zurück

Nehammer: Aussprache mit Kogler nach Brand-Rede

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) glaubt trotz der Irritationen beim Koalitionspartner nach seiner ''Rede zur Zukunft der Nation'' weiterhin, dass die türkis-grüne Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode hält.

Vor Journalisten bekräftigte Nehammer am Montag, dass er in Klimafragen gegen "Untergangsszenarien" sei. Dass die Grünen auch von seiner Forderung, Ausländern die Sozialleistungen zu kürzen, nicht begeistert sind, sei "keine Überraschung", meinte Nehammer.

Er habe am Montag mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ein langes Gespräch geführt, berichtete Nehammer beim "Kanzler-Gespräch". Vieles aus seiner Rede vom vergangenen Freitag seien gemeinsame Zielsetzungen und keine Konfliktthemen, zählte Nehammer etwa die Zweckwidmung der Wohnbauförderung, leichtere Ausbildungsanerkennung im Pflegebereich, Digitalisierungs- und Medienkompetenzfragen im Bildungsbereich, eine kostenlose Meisterprüfung, den Ausbau der Kinderbetreuung oder eine neue Sicherheitsdoktrin auf.

Nehammers Vision geht über Legislaturperiode hinaus

Freilich hatten die Grünen nach einer Art Schockstarre entsetzt auf Nehammers Aussagen in der Klima- und Sozialpolitik reagiert. Eine Berufspflicht für Medizinstudenten in Österreich, eine Halbierung der Sozialleistungen für Ausländer in den ersten fünf Jahren, eine größere Differenz zwischen Einkommen aus Arbeit und Sozialleistungen oder die Frage der synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) seien durchaus Themen, die über diese Regierung hinausgehen, räumte Nehammer ein.

Er habe die Rede eben bis 2030 angelegt und nicht für diese Legislaturperiode, betonte er. "Meine Vision geht bis 2030."

"Wir sind zutiefst unterschiedliche Parteien"

Nehammer hat aber weiterhin vor, die vollen fünf Jahre mit den Grünen durchzudienen: "Das war immer mein Ziel", betonte er. Dass es Unterschiede in den Auffassungen gebe, sei klar: "Wir sind keine Einheitspartei, wir sind zutiefst unterschiedliche Parteien", verwies Nehammer auch darauf, dass Kogler für Vermögenssteuern eintrete und auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) ihre Standpunkte durchaus bewirbt. Man solle das "nicht überbewerten", man habe ein gemeinsames Regierungsprogramm und man arbeite gut zusammen.

"Inhaltlich unterscheidet uns das Ziel des Klimaschutzes nicht", nur der Weg dahin, meinte Nehammer. Für ihn liege die Lösung in Innovation und Fortschritt. In seiner groß inszenierten Rede hatte Nehammer gefordert, man müsse der "Untergangsapokalypse" der Klimaaktivisten entgegen treten, außerdem sprach er sich dagegen aus, den Verbrennungsmotor "zu verbannen". Am Montag verteidigte er sich gegen Kritik an diesen Aussagen: Den Verbrennungsmotor ad acta zu legen, wäre ein "Fehler", denn dann würde man einen "Knowhow-Vorsprung" aufgeben und sich in neue Abhängigkeiten begeben. Schon heute sei die Abhängigkeit von China als Produzent von Solarpaneelen ein großes Problem.

Blick nach vorne statt Hoffnungslosigkeit

Inspiriert hat Nehammer das Buch "Apokalypse, niemals!" von Michael Shellenberger, der Atomkraft befürwortet. Der Autor sage eben, dass das "Untergangsszenario" der "last generation" "durch nichts wissenschaftlich belegt ist", erklärte Nehammer danach gefragt. Hoffnungslosigkeit habe der Welt noch nie gut getan, findet Nehammer. "Sie werden eben diesen wissenschaftlichen Befund seriös nicht finden, dass Milliarden Menschen sterben", bekräftigte er. "Mir geht's nicht darum, irgendetwas zu relativieren", aber "mein Zugang ist der Blick nach vorne".

Als Plädoyer, hierzulande auf Atomkraft zu setzen, wollte der Kanzler seine Begeisterung für das Buch keinesfalls verstanden wissen: Die österreichische Position sei klar, "aber es ist auf der Welt keine Mehrheitsmeinung". Österreich habe sich immer gegen Atomkraft ausgesprochen, "wir können es aber auch im Vergleich zu anderen Staaten leichter", sagte Nehammer. "Wir sollten unsere selbstverliebten Brillen des Sehens des Weltgeschehens zum Teil absetzen und auch mit den Augen der anderen Kontinente denken."

Sozialkürzungsmodell wird ausgearbeitet

Unmut - auch vom Grünen Koalitionspartner - hatte sich Nehammer zudem mit seiner Idee zugezogen, Ausländern die Sozialleistungen zu kürzen. Was damit genau gemeint ist, beantwortete der Kanzler auf Nachfrage nicht. Das Modell werde gerade ausgearbeitet und werde sich an EU-Recht orientieren, versicherte er. Eine Spitze gegen die Grünen wollte er nicht sehen: Wahltaktisch, "wenn wir uns politisch matchen, dann sind nicht die Grünen mein strategisches Ziel", erklärte Nehammer, "also das ist nicht gegen die Grünen".

Vorzeichen für eine künftige Koalition wollte Nehammer aus seiner Rede auch nicht herauslesen lassen; es gebe Überschneidungen mit der FPÖ, aber auch mit der SPÖ. Die Frage nach ewig offenen Themen von Türkis-Grün wie dem Klimaschutzgesetz, dem Bundesstaatsanwalt oder der Reform des Amtsgeheimnisses wischte der Kanzler vom Tisch: Das seien nur drei Themen von vielen, und man habe schon vieles andere umgesetzt. "Die Priorisierung, wann wir was beschließen, die obliegt halt uns als Regierung", befand er, und "meine Prioritäten sind andere".

Kanzler setzt auf Israels Armee-Leitspruch

Keine Präferenz wollte der Kanzler übrigens für die künftige Koalition in Niederösterreich, seiner politischen Heimat, kundtun. Und auch, wen er sich an der Spitze der SPÖ wünschen würde, sagte er nicht. Damit beschäftige er sich nicht. Auf den wahltaktischen Aspekt angesprochen, verwies der Kanzler auf den Leitspruch der israelischen Armee, der in seinem Büro hänge: "Ich kämpfe mit dem, was ich habe" - "das trifft auf allen Lebensbereiche zu".

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